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Neben Straches offizieller Facebook-Seite ist sein privater Facebook-Account in den vergangenen Wochen medial in den Vordergrund gerückt.

Foto: reuters/FOEGER

Wenn Heinz-Christian Strache – beziehungsweise sein Social-Media-Team – in der Vergangenheit auf Facebook kommunizierte, tat er das zumeist in einem rauen Ton. Während des Wahlkampfs bezeichnete er Afghanen in Österreich etwa als eine "Problemgruppe", die großteils ungebildet, aggressiv und integrationsunfähig sei.

Immer wieder war von Schwerstverbrechern im Superlativ und nicht integrierbaren Flüchtlingen, die regelmäßig in Anführungszeichen gesetzt wurden, die Rede. Die Folge solcher Postings waren eine Fülle an sogenannten "Angry"-Reaktionen durch die Leserschaft. Seit 2016 sind auf Facebook nämlich neben normalen "Likes" fünf zusätzliche Reaktionen möglich, mit denen Nutzer ihre Emotionen ausdrücken können: "Love", "Wow", "Haha", "Sad" und eben "Angry".

Der Politiker, der am wütendsten macht

Die FPÖ ist für ihre eher aggressive Kommunikation bekannt. Eine Analyse des STANDARD zu den Facebook-Postings aller Spitzenkandidaten im Wahlkampf 2017 zeigte, dass Postings von Strache – auch proportional – mit Abstand die meisten "Angry"-Reaktionen generierten. Auf seine Postings folgten in einem Zeitraum von rund zwei Monaten insgesamt 67.654 "Angry"-Reaktionen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz generierte in derselben Zeit lediglich 8.619 "Angrys" und folgte an zweiter Stelle (auf dem dritten Platz lag SPÖ-Chef Christian Kern mit 1.581 "Angrys"). Dabei hatte Kurz rund 704.000 Facebook-Fans, Strache rund 740.000.

Beispiele einiger Wahlkampfpostings von Strache, die besonders viele "Angry"-Reaktionen auslösten.

Postings mit vielen wütenden Reaktionen beinhalteten meist empörte, emotionalisierende Meldungen über das Handeln der damaligen Regierungsparteien im Bereich der Migrationspolitik. Heute ist Strache Vizekanzler – und damit hat sich auch der Ton in seiner Kommunikation auf Facebook, wo seine Seite wohl das direkteste Mittel der FPÖ ist, um ihre Wähler zu erreichen, drastisch verändert. Wütende Reaktionen löst er immer noch aus, allerdings vereinzelt – und über andere Kanäle. Das zeigt eine Datenanalyse des STANDARD, bei der die Postings von Straches Facebook-Seite im Zeitraum von zwei Monaten analysiert wurden.

Mehr Fans, weniger Reaktionen

Während Straches Seite seit dem Wahlkampf an Fans gewonnen hat, sind Reaktionen, Kommentare und Shares allgemein zurückgegangen. So verzeichnet der FPÖ-Chef 774.000 Facebook-Fans, im September 2017 waren es 739.000. Bei 267 Postings in den vergangenen zwei Monaten generierte er rund 510.000 Reaktionen, in der Erhebung des Vorjahrs waren es 314 Postings mit insgesamt rund 680.000 Reaktionen. Seine Postings wurden während des Wahlkampfs noch rund 146.000-mal geteilt, 2018 waren es 83.000.

Grund für den Rückgang könnte, neben der leicht gesunkenen Posting-Zahl, reduzierte Wahlwerbung auf der Plattform sein. Weiters hatte Facebook zu Beginn des Jahres angekündigt, Postings von Privatpersonen beziehungsweise Freunden gegenüber jenen von Seiten zu priorisieren.

Rückgang an "Angry"-Reaktionen

Neben dem allgemeinen Rückgang an Reaktionen fällt auf, dass die Zahl der "Angry"-Reaktionen auf Straches Postings, auch bei proportionaler Betrachtung zu den insgesamt gesunkenen Reaktionen, stark zurückgegangen ist. Während "Angry" zu Zeiten des Wahlkampfs mit Abstand – neben regulären Likes – die am meisten ausgelöste Reaktion war, wurde diese inzwischen von "Love" abgelöst.

FPÖ-"Love" im Vormarsch

Die Zahl der "Love"-Reactions ist trotz eines allgemeinen Rückgangs an Reaktionen nämlich kaum gesunken. Offenbar wird vermehrt mit positiver Stimmung zu der eigenen Regierung propagiert. "Love"-Reaktionen übertreffen innerhalb des Erhebungszeitraums knapp die "Angry"-Reaktionen. Gerade aus proportionaler Sicht ist das überraschend: 34,68 Prozent aller Reaktionen (reguläre Likes ausgeschlossen) in dem Erhebungszeitraum sind "Loves", 34,15 Prozent "Angrys". 2017 waren es noch bloß 17,2 Prozent "Loves" und beachtliche 58,83 Prozent "Angrys". Während die Zahl aller anderen Reaktionen absolut zurückgegangen sind, ist das bei "Love" kaum der Fall.

In der obigen Timeline sind die drei Postings mit den meisten Kommentaren und "Loves" nicht aufgelistet. Bei den Kommentaren handelt es sich bei allen drei Beiträgen um teilweise stundenlange Livestreams. Der meistkommentierte war einer zum Wahlkampfauftakt der FPÖ Kärnten, der zweitmeistkommentierte einer zum FPÖ-Neujahrstreffen und der drittmeistkommentierte einer zum Wahlkampffinale in Tirol. Ersteres Video generierte zugleich die meisten "Loves", gefolgt von jenem zum Neujahrstreffen. Die drittmeisten "Loves" hat das Posting, in dem sich Strache gegen die Burka ausspricht.

"Angry" Boulevardmedien

Die 15 Postings mit den meisten "Angry"-Reaktionen verlinken allesamt auf fremde Websites. Am meisten wird bei solchen Beiträgen zu Boulevardmedien verwiesen, allen voran die Kronenzeitung. Auch dabei ist die Website "FMpolitics", welche zumeist ausländerfeindliche Inhalte in Bildform verbreitet. Ein Posting, welches besonders viele "Angry"-Reaktionen auslöste, verlinkte auf einen Artikel der Seite: "Linksextremer Mordaufruf gegen Innenminister Kickl auf Öllingers Facebookseite?" Strache kommentierte: "Ohne Worte! Man stelle sich vor, es hätte diesen "Aufruf" auf einer FPÖ Seite gegeben. Solche Gewalt-Postings sind nicht zu tolerieren und gehören umgehend zur Anzeige gebracht und gelöscht, egal von welcher Seite sie kommen."

Links, Fotos, Videos

Angehängte Links zu fremden Websiten sind der am meisten genutzte Posting-Typ auf Straches Facebook-Seite. Er postet aber auch oft Fotos und Videos. Reguläre Textmeldungen ohne weitere Zusätze kommen selten zum Einsatz. Der FPÖ-Chef postete in dem erhobenen Zeitraum 120 Postings mit angefügten Links, 77 Fotos, 63 Videos und sieben Textmeldungen. Beliebt sind Live-Videos zu Wahlkampfveranstaltungen, vor allem aber kurze Reden und Statements von Strache selbst.

Beispiel für ein beliebtes Foto.

Auch kurze Textmeldungen generieren offenbar weitaus mehr Interaktionen, wenn sie in Bildform präsentiert werden. So veröffentlicht die Seite sehr oft Statements des Vizekanzlers im Bildformat, wobei neben dem Text oft nur ein Symbolbild oder sogar ein einfacher, einfarbiger Hintergrund dargestellt ist. Ebenfalls beliebt sind Fotos, in denen sich Strache mit seiner Familie inszeniert.

Strache und der Boulevard: Ziemlich beste Freunde

Die meisten der angehängten Links führen zu Webseiten von Medien. Das beliebteste Medium ist mit großem Abstand die "Kronen Zeitung". Auffällig ist, dass Postings mit Verlinkungen zur "Kronen Zeitung", die viele Interaktionen generieren, zumeist von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) handeln. Etwa titelte die Zeitung: "Kickl schiebt jetzt IS-Kämpfer ab", "Kickl öffnet Asylheime für Obdachlose", "Kickl: Härte bei Angriff auf Beamte", "Kickl will Kriminalität mit 'sehr, sehr strenger Asylpolitik' bekämpfen" und "Kickl erweitert Liste der sicheren Herkunftsländer". Strache bestärkt solche Artikel in seinen Postings zumeist. Neben Migration und Integration sind kritische Äußerungen zur GIS-Gebühr des ORF ein beliebtes Thema.

"Unzensuriert" kaum mehr relevant

Ebenfalls beliebt ist oe24.at, der Online-Auftritt der Zeitung "Österreich", wobei die Nennungen im Vergleich zu jenen während des Wahlkampfs bedeutend zurückgegangen sind. Auffällig ist, dass unzensuriert.at bloß ein einziges Mal verlinkt wird. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte die Inhalte der Seite als "zum Teil äußerst fremdenfeindlich" bezeichnet und und sah in ihnen "antisemitische Tendenzen" sowie "verschwörungstheoretische Ansätze und eine prorussische Ideologie". Dennoch arbeitet Alexander Höferl, ein ehemaliger Redakteur der Plattform, heute als Kommunikationschef in Kickls Innenministerium. Die Abwesenheit solcher Nennungen steht im starken Kontrast zum Posting-Verhalten der Seite in der Vergangenheit: Eine Analyse des STANDARD im Jahr 2016 zeigte, dass unzensuriert.at innerhalb einer Datenerhebung in einem Zeitraum von ungefähr neun Monaten die am drittmeisten genannte Seite war.

Straches "privates" Profil mit 40.000 Followern

Der extreme Rückgang der "Angry"-Reaktionen bedeutet nicht, dass der FPÖ-Chef die Wut auslösende beziehungsweise emotionalisierende, oft aggressive Kommunikation gänzlich aufgegeben hat: Neben Straches offizieller Facebook-Seite ist sein privater Facebook-Account in den vergangenen Wochen medial in den Vordergrund gerückt.

Auslöser war ein mittlerweile gelöschtes Posting, in dem der FPÖ-Chef ein Foto von ORF-Anchorman Armin Wolf mit einem "Pinocchio"-Bild in der Hand postete, das die Headline trug: "Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF." Strache veröffentlichte es mit dem Vermerk "Satire!" und einem Smiley. Das hatte zu scharfer Kritik und einer Klage von Wolf geführt, die zuletzt mit einer öffentlichen Entschuldigung durch Strache auf Facebook und in der "Krone" sowie einer Entschädigungszahlung endete. Strache hatte sich zunächst mit dem Argument verteidigt, dass es sich, wie in dem Posting angemerkt, um Satire handle und er sein "privates" Profil dafür genutzt habe.

Gerne werden Artikel von Boulevardmedien geteilt.
In einem Posting echauffiert sich Strache auf seinem "privaten" Facebook-Profil über den Ärztechef in Verbindung mit dem Rauchervolksbegehren, weil dieser außerhalb eines Lokals eine Zigarette raucht.

Ein Blick auf dieses Profil, das mittlerweile über 40.000 Follower zählt (Personen, die öffentliche Postings des Profils auf ihrer Timeline einsehen können), deutet an, wohin die empörten und emotionalisierenden Postings verschwunden sein können. Allerdings ist das nicht durch eine Datenanalyse zu verifizieren, da Facebooks API, die Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung, das Extrahieren von Postings eines privaten Profils bewusst nicht erlaubt. (Muzayen Al-Youssef, 18.3.2018)