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Noch immer untersuchen Ermittler den Tatort in Salisbury.

Foto: Andrew Matthews/PA via AP

London – Russland hat das britische Ultimatum im Fall des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal verstreichen lassen. Bis zum Ablauf der von der britischen Premierministerin Theresa May gesetzten Frist am frühen Mittwochmorgen (1 Uhr MEZ) gab es keine Reaktion aus Moskau.

Allerdings hatte Russland bereits zuvor deutlich gemacht, man werde nicht auf das Ultimatum antworten, solange man keine Proben des Gifts erhalte. May will nun am Mittwochmorgen mit dem Nationalen Sicherheitsrat über das weitere Vorgehen beraten, wie die britische Nachrichtenagentur PA berichtete.

Mit Konsequenzen gedroht

May hatte Moskau am Montagabend aufgefordert, sich binnen 24 Stunden gegenüber der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu erklären und darzulegen, wie das wohl aus sowjetischer Produktion stammende Gift nach Großbritannien gelangen konnte. Ansonsten drohten Konsequenzen, die May aber nicht näher ausführte.

So bleibt unklar, welche Sanktionen Großbritannien plant. May hatte bereits damit gedroht, keine Regierungsvertreter zur Fußballweltmeisterschaft nach Russland zu schicken. Britische Medien wie die "Times" halten eine Cyberattacke auf den Kreml für möglich. Eine andere Maßnahme könnte die Ausweisung von Diplomaten sein. Auch finanzielle Maßnahmen gegen Oligarchen, die Immobilien in London besitzen, seien denkbar.

In kritischem Zustand

Skripal (66) und seine Tochter Julia (33) waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie befinden sich in einem kritischen Zustand. Bei dem Attentat war das in der früheren Sowjetunion produzierte, extrem gefährliche Nervengift Nowitschok verwendet worden. May hatte am Montagabend erklärt, dass aller Wahrscheinlichkeit nach Russland hinter dem Anschlag stecke. Rückendeckung erhielt Großbritannien unter anderem aus Deutschland, Frankreich, den USA und von der Nato.

Russland dagegen drohte am Dienstag mit Gegenmaßnahmen im Falle von Sanktionen. Das russische Außenministerium erklärte: "Jegliche Drohungen, Russland mit Strafmaßnahmen zu belegen, werden nicht unbeantwortet bleiben." Darauf müsse sich Großbritannien gefasst machen.

Russland will Zugang zu Ermittlungen

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte: "Russland ist nicht schuldig." Er forderte einen kompletten Zugang zu den Ermittlungen und zu den verdächtigen Proben, um eine eigene Analyse der verdächtigen Substanz vorzunehmen. Moskau habe bereits eine offizielle Anfrage dazu gestellt. Russland sei bereit, mit Großbritannien auf der Ebene der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zusammenzuarbeiten, sagte Lawrow. Die russische Botschaft in London bekräftigte, solange man keine Proben des Gifts erhalte, werde man auf das Ultimatum nicht antworten.

Russland hat nach eigener Darstellung alle Chemiewaffen zwischen 2002 und 2017 vernichtet. Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen habe dies bezeugt, teilte das Industrieministerium in Moskau mit.

Erinnerungen an Litwinenko

Der Fall erinnert an den Mord an dem Ex-Agenten und Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Die Spuren der Täter führten auch nach Moskau.

Die Briten wollen nun weitere etwa 14 Todesfälle im Land mit einer möglichen Verbindung nach Russland erneut untersuchen, wie Innenministerin Amber Rudd ankündigte. Die Fälle reichen teils mehr als zehn Jahre zurück. Darunter sind auch prominente Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, etwa der Oligarch Boris Beresowski.

Ein Vertrauter Beresowskis, der Geschäftsmann Nikolai Gluschkow, wurde vor wenigen Tagen tot in seinem Haus in London entdeckt. Die Todesursache war am Dienstag noch unklar. Die Antiterrorpolizei übernahm aber vorsichtshalber die Ermittlungen, sieht aber derzeit keine Verbindung zu dem Attentat in Salisbury. 2004 war er in Russland zu drei Jahren und drei Monaten Haft nach Vorwürfen von Betrug und Geldwäsche verurteilt worden. 2010 erhielt er in Großbritannien Asyl. (APA, 14.3.2018)