Tokio – Der Saal in einem heruntergekommenen Viertel von Tokio ist dunkel und überfüllt, im Publikum sind hauptsächlich Männer. Begeistert feuern sie die Sängerin auf der Bühne an: Ai, ein sechs Jahre altes Mädchen. Ai und die anderen Kinder, die an diesem Tag auftreten, sind so genannte Idol-Sängerinnen – Mädchen, die wie Stars gefeiert werden.

Dieses Phänomen ist in Japan verbreitet, Kinderrechtsorganisationen aber sind alarmiert. Sie warnen vor einer zunehmenden Sexualisierung von Minderjährigen.

Ai ist geschminkt und zurechtgemacht wie eine Erwachsene. Doch ihre Aufmachung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch ein kleines Mädchen ist – mit kindlichen Gesichtszügen und Zahnlücken. Nach dem Konzert lässt sich Ai mit Männern fotografieren und gibt Autogramme.

Gesellschaftliche Akzeptanz

Einer der Zuschauer ist Soichiro Seki. Er sehe sich zweimal pro Woche Idol-Sängerinnen auf der Bühne an, sagt der 40-Jährige. Er wolle die jungen Künstlerinnen ermutigen und schäme sich nicht dafür. Bei manchen Fans sei das anders, räumt Seki ein. "Ein solches Konzert zu besuchen, ist für sie das gleiche wie in einen Hostessen-Club im Rotlichtbezirk zu gehen."

Tama Himeno steht, seit sie 16 ist, als Idol auf der Bühne. Die meisten Fans seien "sauber", sagt die heute 24-Jährige. Nur einmal habe ihr ein Anhänger 30.000 Yen (knapp 230 Euro) für ihre getragene Strumpfhose angeboten. "Männer, die für junge Mädchen schwärmen, sind in Japan weitgehend akzeptiert", sagt Himeno. Sie verweist auf die in Japan bekannte Geschichte vom Prinzen Genji aus dem 11. Jahrhundert, in der der Edelmann ein Verhältnis mit einem kleinen Mädchen hat.

"Sich mit Idolen aus der Oberschule zu treffen, ist mittlerweile weit verbreitet", sagt Ais Manager Hidenori Okuma. "Inzwischen ist es auch weniger peinlich zuzugeben, dass man kleine Mädchen mag. Die Fans sagen ohne zu zögern, dass ihnen Volksschülerinnen noch lieber sind."

Wenig Schutz für Kinder

Viele Japaner dächten, Mädchen sexuell zu begehren, sei kein Tabu, sagt der Anwalt Keiji Goto, der sich für die Rechte von Kindern engagiert. Erst seit 2015 ist der Besitz von Kinderpornografie in Japan strafbar. Nach Angaben der Behörden stieg die Zahl der für Pornografie missbrauchten Kinder in den vergangenen zehn Jahren auf das Fünffache.

Noch immer ist es der Polizei nicht gelungen, dem so genannten Joshi-Kosei-Geschäft einen Riegel vorzuschieben – jenen Dienstleistern, die für Männer Verabredungen mit Schülerinnen organisieren. Auch Bilder von kleinen Kindern, die in knappen Badeanzügen posieren, sind auf japanischen Internetseiten leicht zu finden. Die Anbieter nützen ein rechtliches Schlupfloch.

Das Bewusstsein, dass Kinder vor sexuellen Übergriffen geschützt werden müssen, sei in Japan sehr gering, sagt der Psychiater Hiroki Fukui, der auch Pädophile behandelt. "Wir müssen uns klar werden, dass die Situation in Japan nicht normal ist." – (APA/AFP/Harumi Ozawa, 14.3.2018)