Großbritannien weist als Reaktion auf den Giftgasanschlag gegen den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal in Salisbury 23 russische Diplomaten aus. Premier Theresa May hatte bereits am Dienstag Moskau als "höchstwahrscheinlichen" Drahtzieher der Aktion bezeichnet und verlangt, innerhalb von 24 Stunden, Informationen über den in der Sowjetunion entwickelten Kampfstoff "Nowitschok" zu liefern, der als mutmaßliche Tatwaffe gilt.

Im Kreml hat die Ausweisung – ebenso wie das vorangehende "Ultimatum" – kaum Schweißausbrüche verursacht. Moskau hat bereits mit einer spiegelgleichen Antwort, "wenn nicht sogar schärferen Maßnahmen" gedroht. Klein beigeben wird Russland in der Affäre nicht. Schon deshalb, weil die Präsidentenwahl vor der Tür steht.

Mediale Aufruhr

Am 18. März will sich Wladimir Putin, der seit 18 Jahren an der Macht ist, für weitere sechs Jahre im Amt bestätigen lassen. Größere Intrigen um den Ausgang der Abstimmung gibt es nicht. Der Sieg bereits in der ersten Runde gilt als sicher. Trotzdem will der Kreml seine Anhänger so stark es geht mobilisieren. Laut dem Soziologen Andrej Kolesnikow vom Carnegie-Zentrum ist der mediale Aufruhr um die Vergiftung Skripals zumindest ein gutes Instrument dazu.

Der Vorfall könne ähnlich wie der Abschuss der Boeing 2014 über dem Donbass-Gebiet die patriotischen Gefühle vieler Russen steigern. "Damals war nur eine verschwindend kleine Zahl von Teilnehmern in den Umfragen bereit zuzugeben, dass das auch prorussisch gestimmte Militärs getan haben könnten, während die Mehrheit der These zustimmte, dass es sich um eine antirussische Provokation handle", sagte Kolesnikow.

Schon damals hatten russische Medien eine Vielzahl widersprüchlicher Theorien gestreut, um bei den Zuschauern den Eindruck zu erzeugen, es handle sich um ein Komplott. Ähnlich wurde der Ausschluss des russischen Teams bei Olympia wegen zahlreicher Dopingvergehen als Verschwörung des Westens verkauft, um Russland zu kränken und zu schwächen. Dass Russland tatsächlich ein Dopingproblem hat, wurde hingegen weitgehend ausgeblendet.

"Warum Russland?"

Auch im aktuellen Fall deuten viele Kommentare russischer Medien eben auf das gleiche Argumentationsschema hin. So ist beispielsweise der Artikel des nationalistischen Publizisten Anton Krylow mit "Die antirussische Religion des Westens führt die Welt in die Katastrophe" überschrieben. Russland sei in den Augen des Westens immer schuld, beklagte er: "Warum Russland? Weil es nicht unschuldig sein kann. Warum schuldig? Weil es Russland ist. Warum immer? Siehe Punkt 1."

Der wichtigste Propagandist Moskaus Dmitri Kisseljow hatte im russischen Staatsfernsehen schon vor Mays Anschuldigungen die britischen Geheimdienste der Tat bezichtigt. Dies alles diene nur dazu, Russophobie im Westen zu schüren und weiter auf dem armen Russland einzuhacken, möglicherweise den russischen Bürgern die Fußball-Weltmeisterschaft wegzunehmen.

Für Putins Wahlergebnis kann diese Emotionalität nur gut sein. Außenpolitisch stehen die meisten Russen hinter dem Kremlchef und seiner Großmachtpolitik, spätestens seit der Übernahme der Krim, die den Nationalstolz vieler Menschen geweckt hat. Mit der Betonung der Außenpolitik fallen auch innen- und wirtschaftspolitische Versäumnisse der letzten Jahre unter den Tisch. Stattdessen dürften sich viele prinzipiell patriotisch gestimmte Wähler, die aber mit den sinkenden Löhnen und steigenden Tarifen unzufrieden waren und darüber nachsannen, als Zeichen des inneren Protestes der Abstimmung fernzubleiben, nun doch hinter Putin scharen. Auch um den Briten eins auszuwischen. (14.3.2018)