München – Es ist der Traum eines jeden Autofahrers: statt im Stau zu stehen, einfach über die Verkehrskolonne hinwegzufliegen. Spätestens nach zahlreichen Science-Fiction-Filmen scheint die Lust am fliegenden Taxi endgültig geweckt zu sein. Heute glauben Tüftler auf der ganzen Welt daran, dem Flugtaxi schon bedeutend nahe gekommen zu sein. Konkrete Ausmaße hat die Idee bereits in München angenommen. Dort gründeten vier deutsche Technologiestudenten 2015 das Start-up Lilium.

Zwei Jahre später präsentierten sie ihren ersten Prototyp, der im Großformat auf der Website zu sehen ist: Eine ovale weiße Kapsel mit verglastem Cockpit und zwei schmalen Flügeln hebt senkrecht von einem Flugplatz ab und gleitet anschließend über die grünen Felder Deutschlands. Der Prototyp schafft es damit, nach dem Senkrechtstart vom Schwebe- in den Vorwärtsflug zu wechseln – für die Gründer ein besonderer Meilenstein. Das Gerät soll vollkommen elektrisch funktionieren, bis zu 300 km/h schnell und 300 Kilometer weit fliegen können, bis zu fünf Personen sollen am Ende darin Platz haben.

Um dem Verkehrsproblem durch die vielen Autos zu entgehen, denken einige Städte – wie hier etwa Dubai – über den Einsatz von sogenannten Flugtaxis nach. Die Kosten sollen vergleichbar mit einer Taxifahrt sein, versprechen die Hersteller.
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Entlegene Orte verbinden

"Mit dem Lufttaxi könnten entlegenere Gegenden mit Ballungsräumen verbunden werden, beispielsweise Wiener Neustadt mit Wien. Oder Sie fliegen von Wien nach Graz in einer Dreiviertelstunde", sagt Remo Gerber von Lilium. Der Flieger soll nicht zum Verkauf stehen, sondern von den Passagieren geteilt und per App geordert werden können. Während am Anfang noch Piloten am Steuer sitzen werden, sollen die Maschinen in Zukunft auch autonom fliegen können. Der Preis pro Flug: nicht höher als bei einer Taxifahrt, verspricht Lilium.

Dass die Gründer nicht nur am Vor-sich-Hinträumen sind, zeigt das Interesse an dem Start-up: Im Vorjahr kassierte das Unternehmen 90 Millionen Dollar, unter anderem von dem chinesischen Internetunternehmen Tencent, das hinter dem Chat-Dienst Wechat steht, dem Technologiefonds Atomico und der Bank von Liechtenstein.

Die Konkurrenz schläft freilich nicht: So arbeitet das ebenfalls deutsche Start-up Volocopter an Lufttaxis, die mit achtzehn Rotoren ausgestattet sind und mehr an Drohnen erinnern. Ende 2017 kam ein Prototyp in Dubai zum Einsatz, wo er einen acht-minütigen Jungfernflug absolvierte. Das Emirat würde die Lufttaxis gerne als öffentliches Verkehrsmittel etablieren. Deswegen sollen in der gleichnamigen Hauptstadt Start- und Landeplätze entstehen, bis 2030 will man ein Viertel des Verkehrs auf autonomen Transport umstellen.

Große steigen ein

Aber auch die großen Player versprechen sich von den Lufttaxis das große Geld der Zukunft: Intel und Daimler sind bereits an Volocopter beteiligt, der Flugzeughersteller Airbus arbeitet an eigenen, elektrisch betriebenen Modellen: Ein etwa fünf Meter langer und sechs Meter breiter Prototyp hob Anfang Februar für einige Sekunden ab, bis 2020 will ihn Airbus serienreif machen.

Der Fahrdienstvermittler Uber entwickelt gemeinsam mit der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa "fliegende Automobile", die rund hundert Kilometer zurücklegen sollen. Und auch Autobauer wie Porsche und Volkswagen können sich vorstellen, in Zukunft Lufttaxis zu produzieren. Letzterer präsentierte erst kürzlich auf dem Genfer Autosalon unter der Audi-Tochter Italodesign das Modell eines Flugautos, das unter anderem für den Warentransport in Städten eingesetzt werden könnte. Und nicht zuletzt ist auch der Internetgigant Google an dem Geschäft beteiligt: Eine von Google-Mitgründer Larry Page finanzierte Firma will in Neuseeland eigene Lufttaxis entwickeln.

Einige Hürden

Bis zur Umsetzung und marktweiten Verbreitung wird es – entgegen den Wünschen der Entwickler – aber noch einige Zeit dauern. "Neben einer Zulassung bei der Luftfahrtbehörde bräuchte es große Investitionen in die Start- und Landeplätze und die Ladestationen für die Batterien", sagt Ralf-Maximilian Jungkunz, Abteilungsleiter beim Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik. Schon allein deshalb bezweifelt er den versprochenen Preis einer Taxifahrt.

Lufttaxis seien im Vergleich zu anderen Transportmitteln wie der Bahn energieineffizienter, zudem könnten sie bei starkem Regen oder Schneefall nicht fliegen. Statt eines Einsatzes für den Massentransport sieht Jungkunz die Lufttaxis hierzulande eher in besonderen Nischen – etwa wenn es darum geht, Ärzte und Patienten bei Notfällen schnell zu transportieren und so die Mehrkosten eines Hubschraubereinsatzes zu sparen.

Die Lufttaxis könnten auch in den verkehrsbelasteten Megastädten Südamerikas und Asiens zum Einsatz kommen, in denen schon jetzt einige Bewohner auf Hubschrauber ausweichen, meinen Experten. Ob dann die jungen Start-ups im Konkurrenzkampf mit Airbus ein Wörtchen mitzureden haben, bleibt zu bezweifeln. (Jakob Pallinger, 15.3.2018)

Das deutsche Start-Up Lilium könnte sich eigene Landeflächen in den Städten vorstellen – unter anderem auch auf Hochhäusern.

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Wie Lilium kann auch Volocopter senkrecht starten und landen. Der Antrieb ist elektrisch.

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Volkswagen will das Auto in die Luft bringen. Auf der Genfer Automesse präsentierte das Unternehmen sein "Hybridauto".

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Auch Airbus präsentierte seinen ersten Prototypen mit dem Namen "Vahana": Ähnlich wie der Lilium-Jet kann das Flugtaxi mit seinen Kippflügeln senkrecht starten und landen, in der Luft werden die Flügel dann für den Horizontalflug waagerecht gestellt.

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In Neuseeland will eine von Google-Mitgründer Larry Page finanzierte Firma eigene Lufttaxis unter dem Namen "Cora" entwickeln.

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Auch Bell präsentierte im Rahmen der CES in Las Vegas sein autonomes Flugtaxi.

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