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Nordkorea soll sich über die Passweitergabe an Südkorea verärgert gezeigt und einen Brief an österreichische Behörden geschickt haben

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Justizminister Josef Moser (links) wünschte ein möglichst geringes Risiko, dass Beweise vernichtet werden. Die Hausdurchsuchung wurde kurzfristig angesetzt, damit niemand im BVT von Ermittlungen erfährt. Doch dort wusste man es längst – die Nordkorea-Passweitergabe hatte zuvor Wellen geschlagen.

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Die Ermittler wollten verhindern, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) vorab über die Razzia erfährt und dann Daten löschen oder andere Beweise vernichten kann: So erklärt die Bundesregierung seit Tagen, warum die Hausdurchsuchung notwendig ist und erst spätabends am Tag vor ihrer Durchführung beantragt wurde. Auch, dass die eigentlich themenferne Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) mit der Durchführung der Razzia beauftragt wurde, begründete man mit dem Schutz der Ermittlungen: Wären Beamte des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung eingesetzt worden, so wäre ein Informationsleck zu befürchten gewesen.

Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch hat Justizminister Josef Moser (ÖVP) die umstrittenen Hausdurchsuchungen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismus verteidigt.
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Doch neue Recherchen von STANDARD und Profil zeigen, dass der Verfassungsschutz schon Wochen zuvor wusste, im Visier von Ermittlern zu stehen. Denn das BVT war schon mindestens 26 Tage vor der Hausdurchsuchung über laufende Ermittlungen zu einem Teil der Vorwürfe informiert.

"Haben nichts gefunden"

So fragte das Bundeskriminalamt (BKA) im Herbst 2017 beim Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) an, ob dieses die Weitergabe nordkoreanischer Pässe an Südkorea durch das BVT untersuchen könnte. Ende Oktober – STANDARD und Profil hatten mittlerweile über die Causa berichtet – replizierte das BAK ans BKA, man habe "nach einer Prüfung nichts gefunden, das Hinweise auf eine Zuständigkeit" der Korruptionsbekämpfer geliefert habe. Das heißt: Das BAK konnte bei der Passweitergabe kein Fehlverhalten der BVT-Beamten erkennen. Die Angelegenheit schien also im Innenministerium intern erledigt worden zu sein.

Am 23. Jänner 2018, mittlerweile war das Innenministerium in FPÖ-Hand, fragte dann das Bundeskriminalamt beim BVT selbst nach, wie es zu der Übergabe der Passrohlinge gekommen sei. Diese Fragenliste landete Anfang Februar bei BVT-Chef Peter Gridling. Das Justizministerium bestätigt diese Vorgänge. 26 Tage später findet die umstrittene Razzia im BVT statt – und diese wird auch mit der Reisepass-Weitergabe begründet. Das Justizministerium stellte klar, dass die rasche Durchführung der Hausdurchsuchung aber mit der befürchteten Fern-Löschung von Daten zu tun hat.

Angst vor Vernichtung

Dieser zweite Erklärungsversuch hat Schwächen. Dass 58 Beamte in den Morgenstunden des 28. Februar in BVT-Büros und in vier Privatwohnungen von BVT-Mitarbeitern eindrangen, wurde mit der Angst vor einer drohenden Beweismittelvernichtung begründet.

Es habe den akuten Verdacht gegeben, dass sensible Daten von außen gelöscht werden, sagte Justizminister Josef Moser Mittwochfrüh. Einer der fünf derzeit beschuldigten Beamten verfüge nämlich über "die jederzeitige Datenlöschungsbefugnis mittels Fernzugriff". Um zu vertuschen, dass Daten missbräuchlich aufbewahrt worden sind, obwohl sie laut Gerichtsbeschluss längst hätten vernichtet werden müssen, hätte der Beschuldigte diese Daten von außen löschen und damit wichtige Beweismittel beseitigen können. Somit musste man sie per Razzia sicherstellen. Das steht jedoch im Widerspruch zu STANDARD -Recherchen, wonach eine solche Fernlöschung gar nicht möglich ist, ohne protokolliert zu werden. Die Ermittler hätten also den Löschvorgang später nachvollziehen können – und somit den Beweis gehabt, dass die Daten bis zum Zeitpunkt der Fernlöschung abrufbar waren.

Gridling wehrt sich

Der vorläufig vom Dienst freigestellte BVT-Chef Peter Gridling, der am 8. März von der Staatsanwältin befragt wurde, will sich nun gegen seine Suspendierung zur Wehr setzen. Zuständig dafür ist die Disziplinarkommission beim Bundeskanzleramt, die Entscheidung trifft dann ein Disziplinarrat. Gridling soll bis zum heutigen Tag nicht wissen, was ihm konkret vorgeworfen wird. Auch weitere Beschuldigte kritisieren, dass es keine konkreten Vorwürfe gegen sie gebe. Das und die Tatsache, dass sie nicht wissen, was die Zeugen über sie sagen, mache die Rechtfertigung schwierig.

Auch in der "Zeit im Bild 2" verteidigte Moser das Vorgehen.
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Interessante Einblicke in die Rolle von Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber lieferte jene Chronologie der Ereignisse, die Moser am Mittwoch vortrug: Demnach sei es Goldgruber gewesen, der erst den Zündstoff für die Hausdurchsuchung geliefert hatte. Interessanterweise habe aber nicht Goldgruber den Erstkontakt zur WKStA gesucht, sondern der Wiener Anwalt Gabriel Lansky, der als einer der mutmaßlichen Geschädigten eines etwaigen Datenmissbrauchs gilt. Am 16. Jänner dieses Jahres, so Moser, habe Lansky in der WKStA angerufen, um mitzuteilen, dass Goldgruber "um ein Treffen bitte". Lansky wollte dazu auf STANDARD-Anfrage am Mittwoch nichts sagen.

Erst zwei Tage nach Lanskys Anruf, am 18. Jänner, habe sich Goldgruber selbst telefonisch an die WKStA gewandt und sei am 19. Jänner dort eingetroffen, um den Staatsanwälten ein Konvolut an anonymen Hinweisen zu übergeben. Goldgruber habe dabei auch betont, dass man das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) nicht in die Sache involvieren könne, da womöglich auch einzelne BAK-Mitarbeiter zum Kreis der Verdächtigen zählen. Wiederum einen Tag später ein neuerlicher Anruf Goldgrubers bei der Staatsanwältin: Er habe nun einen Zeugen anzubieten. Dieser Zeuge kam kurz danach in die WKStA, wobei er zur Zeugenvernehmung einen Kabinettsmitarbeiter von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) als "Vertrauensperson" beigezogen hatte.

Kickl-Vertrauter kam mit

Derselbe Kickl-Vertraute begleitete tags darauf auch den anonymen Zeugen Nummer zwei in die WKStA. In den nachfolgenden Tagen hätten sich dann zwei weitere Zeugen gemeldet, die aber ohne Kabinettsmitglied im Schlepptau erschienen seien. Die Zeugenbefragungen hätten den Verdacht entstehen lassen, dass Daten gelöscht werden könnten.

Warum aber wurde bei einem so dringenden Verdacht nicht gleich Untersuchungshaft verhängt? Justizministeriums-Generalsekretär Christian Pilnacek dazu sinngemäß: Der Tatverdacht sei dringend genug gewesen, um eine Razzia zu machen – aber nicht dringend genug für eine U-Haft. (Fabian Schmid, Renate Graber, Maria Sterkl, Günther Oswald, 14.3.2018)