Wien/Parma – Die Debatte um die Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat ist um ein Kapitel reicher – und zwar in Form eines am Mittwoch im "Journal of Epidemiology and Community Health" publizierten Fachartikels, in dem den EU-Behörden Versagen vorgeworfen wird. Ein Sprecher der Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) führte gegenüber der APA aus, dass einige der Vorwürfe "schlichtweg nicht korrekt" seien.

Peter Clausing, der Erstautor der Studie, sprach in einem Statement von "multiplen Verstöße gegen geltende Richt- und Leitlinien". Andernfalls wäre ein Glyphosatverbot unvermeidbar gewesen. Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hätten nur deshalb schlussfolgern können, dass Glyphosat nicht krebserregend sei, "weil sie die geltenden Regeln und Leitlinien für die Bewertung von Krebsstudien widersprüchlich angewendet oder direkt verletzt haben", hieß es in einer gemeinsamen Aussendung der NGOs PAN Germany, Global 2000 und GMWatch.

Vonseiten der EFSA hieß es wiederum, dass der Fachartikel keine Inhalte enthielte, die nicht bereits schon vorher öffentlich gegenüber den EU-Behörden angesprochen worden wären. Demnach seien die EFSA- und ECHA-Bewertungen im Einklang mit den EU-Kriterien und -Leitlinien durchgeführt worden.

Kritik an EU-Behörden

Eine regelkonforme Auswertung und Gewichtung der Beweise hätte unweigerlich zu der Schlussfolgerung geführt, dass Glyphosat im Tierexperiment krebserregend ist und daher in der EU nicht zugelassen werden darf, schreiben hingegen die Studienautoren um den Toxikologen Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany).

Co-Autor und Global 2000-Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden wies darauf hin, dass ab April ein Sonderausschuss des EU-Parlaments das Zulassungsverfahren für Pestizide ins Visier nehmen und dabei untersuchen wird, ob die relevanten Leitlinien und Gesetze bei der Bewertung von Glyphosat beachtet wurden.

Als Regelwidrigkeiten der EU-Behörden identifizierten die Studienautoren in ihrer Analyse unter anderem multiple Verstöße gegen die einschlägigen OECD- und ECHA-Empfehlungen zur Anwendung historischer Kontrollen sowie die Nichtbeachtung existierender Dosisabhängigkeit bestimmter Krebseffekte.

Kritik zurückgewiesen

"Unsere Analyse zeigt, dass die Beweise aus den Tierstudien der Hersteller – also genau jene Beweise, denen die EFSA zu folgen behauptet – eindeutig darauf hinweisen, dass Glyphosat krebserregend ist. Wir fordern die europäischen Behörden auf, zu den wissenschaftlichen Fakten zu stehen und den geltenden Regeln zu folgen. Entsprechend den gefahrenbasierten Kriterien der EU-Pestizid-Verordnung 1107/2009 hätte das unweigerlich zu einem Glyphosatverbot führen müsse", sagte Clausing.

Von der EFSA heißt es dazu, dass man die Tatsache respektiere, "dass die drei Autoren der Studie möglicherweise eine andere Ansicht darüber haben, wie die Beweise zu bewerten sind". Man betone jedoch, dass die Bewertungen der EFSA und der ECHA auf dem Fachwissen von über 100 Wissenschaftern basieren, die für die EU-Behörden und jene der Mitgliedstaaten arbeiten. Diese seien voll mit den EU-Leitlinien vertraut, die in den Rechtsvorschriften verankert sind. Ebenso weise man darauf hin, das Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt einstimmig zu den selben Schlüssen in Bezug auf Glyphosat gekommen seien wie die EFSA und die ECHA. (APA, 15.3.2018)