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Athen – Im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist es nach Angaben der Polizei erneut zu Krawallen gekommen. Eine Gruppe von jüngeren Migranten habe mehrere Büros des Aufnahmezentrums verwüstet und Feuer gelegt. Einige protestierten damit gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge und ihre bevorstehende Rückführung in die Türkei, berichtete der Radiosender ERT am Donnerstag. Andere beanstandeten die lange Dauer der Bearbeitung ihrer Asylanträge.

Die Bereitschaftspolizei griff ein. Unter Einsatz von Blendgranaten und Schlagstöcken sei es gelungen, in den frühen Morgenstunden des Donnerstags die Unruhen zu beenden, erklärte die Polizei. Die Feuerwehr konnte alle Brände löschen.

Styria

Die Rückführungen sieht der im März 2016 vereinbarte EU-Türkei-Flüchtlingspakt vor. Im Lager Moria mit einer Kapazität für 3.000 Personen harren laut jüngsten Angaben des griechischen Innenministeriums 5.125 Menschen aus. Weitere 2.047 sind in einem kleineren Lager und in anderen Unterkünften untergebracht.

Pakt in Gefahr

Der Vordenker des Flüchtlingspakts hält das Abkommen unterdessen für gefährdet. Zwar sei die Anzahl der über die Ägäis kommenden Flüchtlinge und die der Toten deutlich zurückgegangen, sagte der Vorarlberger Gerald Knaus, Vorsitzender der von ihm 1999 gegründeten Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI), der Nachrichtenagentur dpa. Dennoch drohe das von ihm konzipierte und im März 2016 geschlossene Abkommen zu scheitern.

"Was überhaupt nicht geklappt hat – und das gefährdet heute das gesamte Abkommen –, ist fast alles, was die Umsetzung auf den Ägäischen Inseln und in Griechenland betrifft", so Knaus. Er bemängelte, dass die Asylverfahren in Griechenland viel zu lange dauerten und daher kaum Menschen in die Türkei zurückgeschickt würden, wie es das Abkommen vorsehe. "Wir brauchen schnelle, faire Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, um Leute schnell zurückzuschicken – oder um schnell Schutz zu gewähren." Ein schnelleres Asylsystem müsse verbunden sein mit Rücknahmeabkommen mit EU-Nachbarländern wie der Türkei oder mit den Herkunftsländern der Migranten. "Doch daran arbeitet derzeit niemand in der EU."

"Schließung der Balkanroute funktioniert nicht"

Knaus fügt hinzu: "Solange das nicht gelingt, bleibt Europa ein Magnet. Wenn jeder, der überlebt und hierher kommt, bleiben kann, dann werden es viele versuchen." Er sehe bereits Anzeichen für einen möglichen Zusammenbruch des Abkommens mit der Türkei. "In der ersten Jahreshälfte 2017 kamen ungefähr 9.000 Menschen über die Ägäis nach Griechenland, in der zweiten Hälfte waren es schon wieder 20.000. Die Tendenz ist klar." Die Lebensumstände in den EU-Flüchtlingslagern auf den griechischen Ägäis-Inseln nennt er "unzumutbar".

Dass die Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen sei, wie österreichische und EU-Politiker immer wieder betonen, sei eine Illusion, sagt Knaus. "Jeder Innenminister in Europa weiß, dass die Schließung der Balkanroute nicht wirklich funktioniert hat. In den letzten zwei Jahren sind etwa genau so viele Menschen über die Balkanroute nach Deutschland weitergereist, wie in diesen Jahren aus der Türkei in Griechenland angekommen sind." Dass die Türkei das Abkommen aufkündige, halte er für "sehr unwahrscheinlich". (APA, 15.3.2018)