Festgeklammert noch im Tod und mit einem Pilz-Fruchtkörper, der aus ihr hervorwuchert: das groteske Endstadium einer Zombie-Ameise.
Foto: Hughs Lab/Penn State

State College – Seit Wissenschafter erkannt haben, wie sich der parasitische Pilz Ophiocordyceps unilateralis fortpflanzt, hat er es zu einiger Berühmtheit gebracht. Der britische Autor Mike Carey hat sich davon sogar zu einem Science-Fiction-Roman mit Horror-Einschlag ("Die Berufene") inspirieren lassen – dafür musste der Pilz allerdings auf Menschen überspringen. Seine tatsächlichen Opfer hingegen sind Ameisen.

Haben sich Pilzsporen an einer Ameise festgesetzt, bilden sie Fäden aus, die in den Körper hineinwachsen und mit den von ihnen abgesonderten Chemikalien die Kontrolle über das Tier übernehmen. Nach einigen Tagen oder Wochen verlässt die Ameise ihre Kolonie, klettert auf Pflanzen, beißt sich dort fest und stirbt. Der Pilz lässt nun seine Fruchtkörper aus dem Kadaver der Ameise wuchern, die wieder neue Sporen zu Boden fallen lassen, wo sie sie weitere Amseisen befallen. Für die infizierten Tiere hat sich rasch der Begriff "Zombie-Ameisen" eingebürgert.

Wo bleibt die Abwehr?

Ein Team US-amerikanischer Forscher hat sich nun damit befasst, ob Ameisenkolonien Abwehrmaßnahmen gegen Ophiocordyceps treffen. Denn eigentlich wird in einem Ameisenstaat die Hygiene recht rigoros durchgesetzt: Als krank erkannte Tiere werden attackiert oder zumindest isoliert.

Um das herauszufinden, hat das Team um Emilia Solá Gracia und David Hughes von der Pennsylvania State University Rossameisen der Spezies Camponotus castaneus eingefangen und aus den Tieren drei Mini-Kolonien im Labor aufgebaut – darunter auch eine, der sie den Zombie-Pilz beigemischt hatten.

Drei Punkte waren es, auf die die Forscher achteten: Ob infizierte Tiere attackiert werden, in welchem Ausmaß sie an der Nahrungsweitergabe von einem Tier zum anderen teilhaben und ob sie von ihren Artgenossen getrennt werden bzw. sich absondern. Dafür wurden die Kolonien rund um die Uhr unter Video-Überwachung gestellt. Alle Tiere wurden mit Punktemustern markiert, um erkennen zu können, ob sich das Verhalten zwischen den einzelnen Kolonien unterscheidet.

Blick in die Experimental-Kolonie.
Penn State University

Wie die Forscher im Fachmagazin "Plos One" berichten, war das Ergebnis recht eindeutig: Infizierte Tiere verbringen während der 14 bis 21 Tage nach der Infektion immer mehr Zeit in der Nähe der Ausgänge oder gleich im Freien. Dieses Absondern könnte man also als frühes Anzeichen der Krankheit werten – die letztlich ja dazu führt, dass das betroffene Tier die Kolonie verlässt.

Ansonsten: nichts. Weder werden die Zombie-Ameisen von ihren Artgenossen angegriffen noch von der Nahrungsweitergabe ausgeschlossen. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Tiere die Infektion einfach nicht erkennen – der Pilz, der sich zusammen mit seinen Wirten entwickelt hat, geht also noch subtiler vor als gedacht.

Es wäre durchaus im Sinne der Ameisen, den Pilz zu erkennen. Schließlich läuft der oben beschriebene Fortpflanzungszyklus immer wieder von neuem ab, kostet die Kolonie Mitglieder und muss daher als "chronische Erkrankung der Kolonie" bezeichnet werden, so die Forscher. Doch der Parasit schafft es, unter ihrem Radar durchzufliegen, fasst Hughes die Ergebnisse zusammen. (jdo, 18. 3. 2018)