Eine von 2.337 in Österreich vertretenen Flechten: Flavocetraria nivalis.

Foto: Peter O. Bilovitz

Graz – Flechten sind auf saubere Luft angewiesen und reagieren sensibel auf Schadstoffe. Sie eignen sich damit hervorragend als Indikatoren für Umweltverschmutzung. Aber auch der Klimawandel lässt sich an ihnen dokumentieren – wenn man ihre bisherige Verbreitung kennt. Internationale Forscher haben unter Leitung der Universität Graz das erste umfassende Inventar der Flechtenarten der Alpen vorgelegt.

Flechten kommen in der Wüste ebenso vor wie in Heidelandschaften. Selbst in der Antarktis kann man sie finden. Ihre Lebensweise – eine Wohn- und Lebensgemeinschaft aus einem Pilz und einer oder mehreren Algen – ermöglicht es ihnen, extreme Lebensräume zu erschließen, erklärte Helmut Mayrhofer vom Institut für Biologie der Universität Graz. Während der Pilz organische Nährstoffe aufschließen kann, betreiben die Algen Fotosynthese, aus der Zucker entsteht, der auch vom Pilz genutzt wird, so Mayrhofer.

15-jährige Datensammlung

Kein Wunder also, dass Flechten zu den dominanten Lebensformen in den Hochlagen der Alpen zählen. Während der dramatische Rückgang der Gletscher schon länger im Fokus der Öffentlichkeit steht, sehen Biologen auch in den Veränderungen der Lebensräume drohende Gefahr. "Die Auswirkungen auf die Vegetation der höheren Pflanzen wurden untersucht, aber wichtige ökologische Rückgrate in Form von niederen Pflanzen und wenig bekannten mikrobiellen Organismen wurden noch nicht sorgfältig studiert", sagte Mayrhofer.

Das mag auch damit zusammenhängen, dass es bisher noch kein umfassendes Inventar der Flechtenarten für die Alpen gab. Mit der nun vorliegenden 600 Seiten umfassenden Dokumentation, die jüngst in der Open-Access-Zeitschrift MycoKeys veröffentlicht wurde, gehört dieses Manko der Vergangenheit an. Ein mehrjähriges, durch den Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Forschungsprojekt hat es ermöglicht. Insgesamt haben die Forscher rund 15 Jahre an der nun vorliegenden Liste aller Arten samt Informationen zu ihrer Systematik, Verbreitung und Ökologie gearbeitet. "Jetzt haben wir die Basis für weitere Forschungen zur Evolution und Diversität, aber auch zum Klimawandel", so der Lichenologe.

2.337 Arten in Österreich

Insgesamt sind die Forscher auf 3.163 unterschiedliche Flechtenarten in den Alpen gestoßen. Im österreichischen Teil der Alpen finden sich 2.337 dokumentierte Arten, 2.169 sind es in Italien. Für die französischen Alpenregionen wurden etwa 2.000 aufgelistet, in den Schweizer Alpen sind rund 1.800 Arten vertreten. In Deutschland sind es rund 1.200 und an die 150 in Liechtenstein. Slowenien weist rund 890 auf. Lediglich für Monaco gibt es noch gar keine Angaben.

Die Vielfalt der Flechtenarten in dem Gebirge mit einer Ausdehnung von nahezu 1.200 Kilometern Länge wurde zwar seit dem 18. Jahrhundert erforscht. Die Daten waren jedoch weit über Europa verstreut und aus manchen Gebieten habe es große Forschungslücken gegeben, berichtete Mayrhofer. Die Kenntnis der Biodiversität sei von großer Bedeutung für das Verständnis von Umweltwelteinflüssen auf unser Leben. (APA, 15.3.2018)