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Für Kinder, die in Armut aufwachsen, ist ein ausgewogener Speiseplan weit von der Realität entfernt.

Foto: Johannes Simon/Getty Images

Armut ist eine wesentliche Ursache für Defizite in der Ernährung, Gesundheit und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Zu diesem Schluss kommen Ernährungswissenschaftler der Fachgesellschaft Society of Nutrition and Food Science (SNFS) mit Sitz an der Universität Hohenheim in Stuttgart. In einer aktuellen Stellungnahme warnen sie vor den Folgen armutsbedingter Mangelernährung bei Kindern.

Kinder brauchen für Wachstum und Entwicklung eine abwechslungsreiche Ernährung. Sie muss genügend Obst und Gemüse, Milchprodukte, Fleisch und Eier enthalten, ergänzt durch Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln, Reis und Nudeln. Nur damit kann man sicherstellen, dass die Kinder genügend Energie und Eiweiß, besonders aber Vitamine, Minerale und Spurenelemente zu sich nehmen.

Doch für Kinder, die in Armut aufwachsen, ist ein ausgewogener Speiseplan weit von der Realität entfernt. Nicht nur Kinder, die in armen Ländern leben, sind davon betroffen, sondern zunehmend auch arme Menschen in den reichen Ländern. In Österreich leben laut Statistik Austria 289.000 Kinder und Jugendliche in Haushalten unter der Einkommensarmutsgrenze.

Zu viel Kalorien, zu wenig Nährstoffe

Die Folgen für die Kinder sind fatal: "Es drohen Entwicklungsstörungen, die nicht nur das körperliche Wachstum, sondern auch die geistige Entwicklung betreffen", sagt Hans Konrad Biesalski, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim. "Denn wenn gespart werden muss, dann werden vor allem solche Lebensmittel gekauft, die preisgünstig sind, aber auch satt machen."

Die Sättigungsbeilage wird zur Hauptmahlzeit, fettes Schweinefleisch und billiges Fast Food ergänzen das Menü. "Es gibt zahlreiche Untersuchungen dazu, dass die Qualität eines Lebensmittels, also die Menge an enthaltenen Mikronährstoffen, mit sinkendem Preis abnimmt, während der Energiegehalt zunimmt", erklärt Biesalski. Das Kind werde damit zwar satt, nehme aber zu viel Kalorien und zu wenig Mikronährstoffe auf. "Es kommt zu dem, was wir als ‚double burden‘ bezeichnen: Übergewicht bei unzureichender Versorgung mit Mikronährstoffen."

Kreislauf der Armut

Biesalski zitiert deutsche Studien, wonach Übergewicht bei Kindern aus armen Verhältnissen in Deutschland dreimal häufiger anzutreffen ist als bei Kindern aus Familien mit gutem Einkommen. Internationale Studien zeigen außerdem, dass Kinder aus Ländern mit hohen Einkommen, die dort in Armut leben, häufiger Entwicklungsstörungen des Gehirns haben. "Besonders betroffen sind Hirnteile, die mit der Entwicklung und dem Gebrauch von Sprache zu tun haben", so Biesalski.

Eine Verbesserung der Ernährungssituation würde die Chancen dieser Kinder in Schule und Beruf deutlich verbessern, sagen die Wissenschaftler. "Ansonsten sind die Kinder im fatalen Kreislauf der Armut gefangen", sagt Jan Frank, Präsident der Society of Nutrition and Food Science (SNFS).

Bei Politikerinnen und Politikern mahnt er daher dringenden Handlungsbedarf an: "Die immer wieder geforderten Verbesserungen bei der Ernährung gerade für Kinder in Armut sind dort bisher nicht auf offene Ohren gestoßen." Auch Möglichkeiten wie kostenloses Essen in Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen könnten einen Beitrag zur Lösung des Problems bringen, so Biesalski. "Damit lernen die Kinder auch gesunde Ernährung kennen – und das Gesundheitssystem spart Kosten für die Behandlung kranker und übergewichtiger Kinder." (idw/red, 15.3.2018)