Der Hund als "Verwandter des Menschen" zählt zu den Markenzeichen Keith Harings. Zum Motiv der Figur mit Loch fand der Künstler nach der Ermordung John Lennons 1980.

Foto: Larry Warsh © The Keith Haring Foundation

Keith Haring, fotografiert von Gottfried Helnwein anno 1989.

Foto: Albertina, Wien © Gottfried Helnwein

Wien – Allen soll die Kunst gehören, nicht nur einem elitären Zirkel! Mit diesem Ansinnen im Herzen stieg Anfang der 1980er-Jahre ein junger Künstler in New Yorker U-Bahn-Stationen hinab, um dort Kreidezeichnungen kulturkritischen Inhalts zu hinterlassen. Figuren, die einander mit Fäusten durchbohren, zeichnete er, um zwischenmenschliche Verrohung anzuklagen. Eine robotisierte Raupe, die Menschen grausam in der Luft herumwirbelt, war technologiekritisch gemeint.

Fünf- bis zehntausend Bilder entstanden zwischen 1980 und 1985, bevorzugt auf jenen schwarzen Papierbahnen, mit denen ungenutzte Werbeflächen behängt waren. Dass einige davon nun in der Wiener Albertina zu sehen sind, liegt indes daran, dass dieser junge Künstler kein Geringerer als Keith Haring (1958–1990) war – und die Subway Drawings die Wiege einer Bildwelt sind, die Geschichte schrieb.

Das "Radiant Baby", jener Krabbler mit dem Strahlenkranz, oder der eckig-abstrakte Hund: Sie sind Ikonen der Popkultur, Bilder, die man quasi nicht nicht kennen kann. Die Idee, die ihnen zugrunde liegt und auf der die rasante Karriere Harings fußte, war dabei ebendiese: Eine Sprache zu ersinnen, die über soziale Grenzen hinweg verstehbar ist. Brücken schlagen wollte Haring – zwischen den Menschen, aber auch zwischen Hoch- und Massenkultur.

Keith Haring: Ohne Titel, 1985
Foto: Privatsammlung © The Keith Haring Foundation

Pyramiden, Computer, Hunde

Was der allzu früh an Aids verstorbene Künstler dabei schuf, mag man "Höhlenmalerei der Gegenwart" nennen. Nicht nur, weil Haring just U-Bahn-Stationen als Experimentierfeld nutzte und bei seinen Ausstellungen die Wände gern bis ins letzte Winkerl füllte. An archaische Kunstformen erinnert neben der verspielten Ornamenthaftigkeit vieler Bilder vor allem auch Harings Umgang mit Symbolen.

Verhältnismäßig wenige Bildzeichen waren es – gemessen an der Opulenz seines Schaffens -, die er immer neu anordnete, um seine humanistische Botschaft zu vermitteln. Neben den häufig vorkommenden Menschen und Hunden griff er etwa immer wieder auf Pyramiden, Atomkraftwerke, Uhren, Computer zurück.

Das Haring'sche Zeichenrepertoire aufdröseln, das will nun jene Schau, die der Albertina wohl Touristenströme bescheren wird. The Alphabet lautet ihr Untertitel, und strukturiert ist sie nach wiederkehrenden Bildmotiven, die dann in Wandtexten erläutert werden. Dass der Atompilz für die nukleare Bedrohung steht, erfährt man etwa, und dass Umarmungen Liebe symbolisieren. Aha.

Keith Haring: Ohne Titel, 1982
Foto: Courtesy The Brant Foundation, Greenwich, Connecticut, USA © The Keith Haring Foundation

Zeitreise auf der Rolltreppe

Dass manche Erläuterungen reichlich übereifrig wirken, spricht ein wenig gegen das Ausstellungskonzept. Bei Engeln und Matrjoschkas (sie stehen für Veränderung und Wandel) mag man vielleicht aber auch ganz dankbar sein für einordnende Worte. Reizvoller als redundante Erklärungen zu einer ohnehin der allgemeinen Verständlichkeit verpflichteten Bildsprache sind jene Momente der Schau, in denen man ein Gefühl für die Zeit Harings bekommt.

Hervorzuheben ist da auch jene "Zeitreise", die man auf der Rolltreppe der Albertina antritt. Vermittels "vorbeiziehender" Fotos werden historische Ereignisse, an denen der Humanist Haring reifte, in Erinnerung gerufen: die Ermordung Martin Luther Kings etwa oder die Mondlandung. Sich der bewegten Zeitgeschichte zu erinnern stimmt dabei bestens ein auf jene irgendwo zwischen Hieroglyphen, Street-Art und Markenlogos changierende Bildwelt, die einen unten erwartet.

Es ist eine Bildwelt, die es gut mit uns meint und von der ein Schnäuzchen zu nehmen wohl keinem schaden kann. Und diese im Comic-Hieroglyphen-Stil bemalte Vase, auf der ein kopulierendes Paar mit einer Tonbandmaschine und einem Schwein zusammenkommt, das soeben von einem Ufo entführt wird, die sollte man sowieso gesehen haben. (Roman Gerold, 16.3.2018)