Das Angebot der Tefaf repräsentiert die oberste Qualitätsliga in allen Segmenten: Im Mittelpunkt der Präsentation von Jorge Welsh (London, Lissabon) steht das Dinnerservice der Madame de Pompadour.

Foto: Tefaf, L. Bodewes

Im April 2017 war dieses Schreibmöbel als Nachbau eines Roentgen-Modells und datiert in das 19. Jahrhundert versteigert worden. Tatsächlich handelt es sich jedoch, laut einem Peter Mühlbauer vorliegenden Gutachten, um ein Original aus dem 18. Jahrhundert.

Screenshot: Onlinekatalog Dorotheum

In der 2012 vom Metropolitan Museum of Art (New York) herausgegebenen Publikation "Extravagant Inventions: The Princely Furniture of the Roentgens" findet sich auf Seite 194 eine historische Aufnahme (ca 1796-1801), die ein solches Zylinder-Bureau in Schloß Gatschina bei St. Petersburg zeigt.

Foto: Repro „Extravagant Inventions“, NY, 2012

Der Fotospezialist Johannes Faber (Wien) offeriert bei der Tefaf u.a. diese Aufnahme von Brassaï, die Henri Matisse 1939 mit einem Aktmodell in seinem Atelier zeigt – und ein unfertiges Gemälde auf der Staffelei, dabei könnte es sich …

Foto: Galerie Johannes Faber

… "Liseuse sur fond noir" im Bestand des Centre Pompidou (Paris) handeln, das ebenfalls aus dem Jahr 1939 datiert, jedoch Abweichungen aufweist. Laut zugehörigen Eintrag der Museumsdatenbank, sind zwei Aufnahmen Brassaïs bekannt.

Foto: P. Migeat - Centre Pompidou, MNAM-CCI /Dist. RMN-GP © Succession H. Matisse

Von Wien ins niederbayerische Pocking nach Maastricht am südöstlichen Zipfel der Niederlande: Das ist die jüngere Route eines Möbels, die mit einer Wertsteigerung verbunden ist, über die nicht alle Involvierten jubeln dürften. Ein Schreibtisch von dem nach seinem zylindrisch gewölbten Rollverschluss benannten Typ "Zylinder-Bureau", der im April 2017 im Dorotheum versteigert wurde. Als "Modellvariante nach David Roentgen", datiert Mitte des 19. Jahrhunderts und damit als Nachbau eines Schreibmöbels aus der für feinste handwerkliche Ausführung bekannten Werkstatt Roentgens klassifiziert.

Eines der Highlights des deutschen Kunsthändlers Peter Mühlbauer in Maastricht: das um 1785 in der Werkstatt David Roentgens gefertigte "Zylinder-Bureau". Kostenpunkt: 320.000 Euro.
Foto: Kunsthandel Peter Mühlbauer

Der Schätzwert hatte sich deshalb nur auf 8000 bis 12.000 Euro belaufen. Den Zuschlag erteilte das Auktionshaus jedoch erst bei 56.250 Euro (inkl. Aufgeld). Man ahnt, der Käufer dürfte nicht der Einschätzung der Dorotheums experten, sondern auf seine Erfahrung und sein Fachwissen vertraut haben: Peter Mühlbauer, ein deutscher Kunsthändler.

Ihm liegt mittlerweile ein Gutachten von Achim Stiegel, dem Roentgen-Experten der Staat lichen Museen zu Berlin, vor. Demnach sei die Herkunft aus der von 1742 bis 1795 produzierenden Roentgen-Werkstatt aufgrund charakteristischer Merk male zweifelsfrei belegt. Die Dorotheumstrouvaille soll im Winter 1785 Teil einer Lieferung an den russischen Hof gewesen sein. Später gelangte sie in den Besitz einer aristokratischen Familie aus Österreich.

Von der Schmutzpatina befreit, die feuervergoldeten Bronzebeschläge aufpoliert, buhlt das Möbel jetzt im Zuge der Tefaf, der wichtigsten und größten Kunst- und Antiquitätenmesse weltweit, um die Gunst vermögender Privatsammler oder Museumskuratoren. 320.000 Euro lautet der aktuelle Verkaufspreis. Interesse gebe es bereits, erklärt Mühlbauer. Kein Wunder, es entspricht exakt jener Qualitätsklasse, für die Sammler aus der ganzen Welt eigens nach Maastricht reisen.

Beute hoher Güte

Schließlich gibt es weltweit kein vergleichbares Format, das mit einer solchen Bandbreite an Kunst und Handwerk über mehrere Epochen in der gebotenen Güte aufwarten kann. Sieht man von den jüngeren Tefaf-Ablegern in New York ab: im Mai (4.–8. 5.) fokussiert man dort auf die Warengruppe Modern und Contem porary Art & Design, im Oktober (27.–31. 10.) liegt der Schwerpunkt auf bildender Kunst und Decorative Art von der Antike bis 1920. Ein Paradies für Connaisseurs, das zuletzt mit dem enormen Besucherandrang zu kämpfen hatte. Insbesondere am Vernissagetag, dem aufgrund der Massen von zuletzt knapp 12.000 Gästen immer öfter wichtige Kunden und potenzielle Käufer fernblieben, wie viele der Teilnehmer monierten. Nach Jahren der Kritik gab es heuer erstmals zwei Eröffnungstage.

Der erste war den absoluten VIPs vorbehalten, für die jeder Aussteller zehn Karten in seinem Package inkludiert hatte. Weitere mussten zugekauft werden: um 260 Euro je Ticket. Ein Kosten faktor, der immerhin für etwa 1000 Klienten in Kauf genommen wurde. Eine Maßnahme, die sich unterm Strich bezahlt machte, wie Aussteller auch anhand ihres Verkaufsstaccatos bestätigen.

Das Business steht hier im Vordergrund, wenngleich interessiertes Publikum willkommen bleibt. Denn auch für dieses lohnt ein Abstecher nach Maastricht. Und sei es nur, um Meisterwerk zu bestaunen oder den zugehörigen Geschichten der Kunsthändler zu lauschen. Etwa über Édouard Vuillards unerfüllte Liebe zu Misia, die als Muse und Modell diversen Künstlern den Kopf verdrehte. Im Falle Vuillards über Jahrzehnte, betont Thomas Salis (Salzburg). Davon zeugen eine frühe Porträtstudie (485.000 Euro) und ein von ihr dominiertes Interieur (Les Tasses Noires, 1925) in seinem Angebot. Letzteres kostet eine Million und dürfte wohl in das Beuteschema von Peter Doig, einem bekennenden Vuillard-Fan, fallen.

Bewunderer von Henri Matisse werden wiederum beim Fotospezialisten Johannes Faber (Wien) fündig. Eine Aufnahme von Brassaï, die den Künstler 1939 mit einem Aktmodell in seinem Atelier zeigt (18.300). Auf der Staffelei steht ein unfertiges Stillleben, bei dem es sich um jenes im Bestand des Centre Pompidou handeln könnte. (Olga Kronsteiner, Album, 17.3.2018)