Verspielt: Gustav Peichls "Stanitzel" auf dem Dach der Bundeskunsthalle Bonn, fotografiert von der Künstlerin Pola Sieverding.


Foto: Pola Sieverding, Berlin

Wien – Silberne Blechrohre, die sich durch das Innenleben der ORF-Landesstudios winden. Spitze Stanitzel auf dem Dach der Bundeskunsthalle Bonn. Und immer wieder maritime Spielereien mit Brücken, Bullaugen, zarten Relings wie im Falle der Phosphat-Eliminationsanlage in Berlin-Tegel.

Die mal hochtechnischen, mal verspielt witzigen Elemente ziehen sich durch das OEuvre Gustav Peichls, der am Sonntag seinen 90. Geburtstags feiert. Das Museum für angewandte Kunst (Mak) schenkt ihm aus diesem Anlass eine eigene Ausstellung unter dem Titel 15 Bauten zum 90sten.

"Die meisten Menschen kennen Peichl von den ORF-Landesstudios sowie in seiner jahrzehntelangen Rolle als Ironimus", sagt Ausstellungskuratorin Kathrin Pokorny-Nagel. "Aber wenn man sich mit seinen Projekten auseinandersetzt, merkt man, dass die beiden Faktoren Technik und Humor in fast all seinen 70 realisierten Bauten zu finden sind."

"Häuser müssen lachen", sagt Gustav Peichl im Gespräch mit dem STANDARD. "Der Humor ist in der Architektur mindestens genauso wichtig wie in der Karikatur. Wo sonst würden wir heute sein, wenn uns die gebaute Umwelt nicht auch etwas zum Lachen und zum Schmunzeln böte?"

Doch leider, erklärt der emeritierte Professor der Akademie der bildenden Künste sei nur noch ein Bruchteil der Architekten in der Lage, mit dem Bleistift oder Tuschestift umzugehen: "Die tun alle nur noch mit der Maus herum." Der Verlust der "Seele" (Peichl) ist dramatisch. Das merkt man allein schon an den beiden in der Ausstellung gezeigten Projekten Millennium Tower (1999) und Wohnhausanlage Sechskrügelgasse Wien (2011). Beide Bauten aus der Spätphase Peichls sind nicht mehr das Produkt handgezeichneter Skizzenstriche, sondern entstanden – präzise und millimeterminutiös – am Computer.

Umgang mit Form und Leben

Es wirkt fast wie ein Seitenhieb des Mak, dass dies die einzigen zwei Bauten sind, die nicht hinter Glas sind. So wird die sehr respektvolle Ausstellung zwischen den Zeilen selbst schon zu einer Art kommentierender Karikatur von Peichls Werk. Das kann sich das Mak leisten, ist es doch seit 2013 in Besitz des österreichischen Vorlasses, der mehr als 8000 Pläne und Entwurfszeichnungen umfasst – und damit einer der besten Kenner seines architektonischen Schaffens. Ergänzt wird die Schau von 27 großformatigen Fotografien der deutschen Künstlerin Pola Sieverding. Die grobkörnigen Schwarzweißfotos, die den ersten Stock der Mak-Säulenhalle säumen, sind keineswegs beschönigend. Sie zeigen zwar überaus raffinierte Details in ebenso raffinierten Blicken, aber auch wenig schmeichelhafte Abnützungserscheinungen des Alltags. Leben eben.

Und doch wird in den großen Tableaus das evident, was Peichl immer schon am besten konnte: Umgang mit Form, Umgang mit Licht und Umgang mit einer manchmal verspielten Kleinmaßstäblichkeit, die nie die große Geste, sondern stets den Menschen in den Mittelpunkt rückt. (Wojciech Czaja, 18.3.2018)