Im Kern von St. Pölten gibt es viele Flächen, die nachverdichtet werden können. An den Rändern muss deshalb nicht gebaut werden.

Visualisierung: Helmut Lackinger

Den "sehr hohen" Anteil des motorisierten Verkehrs in der niederösterreichischen Landeshauptstadt will Stadtentwickler Jens de Buck dafür weiter einschränken.

Foto: Magistrat St. Pölten Josef Vorlaufer

Hochhäuser seien in St. Pölten nicht geplant, sagt Jens de Buck, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung. Man wolle nicht "mit Wiener Verhältnissen" vergleichbar werden. Gleichwohl sollen Wiener auf der Flucht vor hohen Mieten in die niederösterreichische Landeshauptstadt kommen. Den "sehr hohen" Anteil des motorisierten Verkehrs will der 48-Jährige dafür weiter einschränken.

STANDARD: Die Wiener belächeln St. Pölten oft, denken an eine graue Industriestadt. Wie steht es um das Image von St. Pölten?

De Buck: Die Stadt hat ihr Image als Industriestadt viele Jahre mit sich herumgetragen, nicht zur Freude der St. Pöltener. Das steht in engem Zusammenhang mit der Glanzstoff-Fabrik, ganz nach dem Motto: "Hier stinkt's!" Durch ihre Schließung im Jahr 2008 hat sich neben dem Verlust für die Stadt selbst aber auch die Chance ergeben, am Rad des Images zu drehen. Die Bewerbung als Kulturhauptstadt 2024 soll auch zur Image-Verbesserung beitragen.

STANDARD: Wie steht es um die Bevölkerungszahlen?

De Buck: Wir hatten in den letzten Jahren ein Bevölkerungswachstum von jährlich 600 bis 800 Einwohnern. Für den Zeitraum 2025 bis 2030 gehen wir von einer Steigerung der Bevölkerungszahl auf bis zu 65.000 aus – derzeit sind es 55.000.

STANDARD: Was macht St. Pölten begehrt?

De Buck: Durch die neue Westbahnstrecke hat sich der Standort verbessert. In 25 Minuten ist man im Zentrum von Wien. Aufgrund der hohen Wachstumszahlen von Wien und der Preise in der Bundeshauptstadt orientieren sich viele ins nähere Umfeld, und wir sind in den Suchkreis gerückt. Vorher war der Wienerwald eine schwer überwindbare Grenze.

STANDARD: Steuern Sie auf den Großraum St. Pölten–Wien–Bratislava zu?

De Buck: Die Entwicklungen dieses Centrope-Raums über Bratislava und Wien streuen natürlich auch zu uns. Wir haben da durchaus Mitgestaltungsinteressen.

STANDARD: Wie bereiten Sie sich auf den Zuzug vor?

De Buck: Im urbanen Kern hat St. Pölten eine große Menge an Flächen mit erheblichem Verdichtungspotenzial über Nachnutzung. Stadtentwicklung können wir problemlos dort bewältigen und müssen nicht an die Ränder ausweichen.

STANDARD: Wie viel Platz ist da noch vorhanden?

De Buck: Wir haben 365 Hektar gewidmetes Wohnbauland – das sind die Flächen in urbaner Lage. Alleine das Glanzstoff-Areal ist 15 Hektar groß.

STANDARD: Gibt es auch ein Hochhauskonzept für St. Pölten?

De Buck: Es gibt ein solches Konzept, aber darauf liegt überhaupt nicht der Schwerpunkt, ganz im Gegenteil. Vor zehn Jahren gab es eine entsprechende Nachfrage, heute nicht mehr. Prinzipiell gibt es Standorte in der Stadt, die aufgrund ihrer Lage geeignet wären. Aber auch hier sind die Höhen an die Stadt angepasst und mit Wiener Verhältnissen nicht vergleichbar. Laut niederösterreichischer Bauordnung beginnt ein Hochhaus bei 25 Metern. Die magische Obergrenze in St. Pölten ist die Höhe des Domturms von 77 Metern. Daran hat sich auch die Planung des Regierungsviertels angepasst.

STANDARD: 50 Prozent aller Wege der Bewohner sind kürzer als drei Kilometer, dennoch wird jeder zweite davon mit dem Auto zurückgelegt. Wieso?

De Buck: St. Pölten hat ein nicht ganz unproblematisches, aber auch nicht untypisches Mobilitätsverhalten für eine mittelgroße Stadt. Der Anteil des motorisierten Verkehrs ist sehr hoch. Dagegen haben wir schon in den letzten Jahren viel getan, etwa den Ausbau des Stadtbusses Lup und des Radnetzes. Die Bürger der Stadt und die Einpendler – täglich sind es etwa 40.000, viele kommen mit dem Auto – sind aber auch gefragt, gemeinsam mit der Stadt. Das geht aber nicht von heute auf morgen.

STANDARD: Bürgermeister Stadler hat St. Pölten als Landeshauptstadt mit den günstigsten Immobilienpreisen bezeichnet. Wie lange wird das noch so bleiben?

De Buck: Die Preise in Eisenstadt werden auch nicht so weit weg sein von jenen in St. Pölten. Aber Fakt ist: Bei uns steigen auch die Preise – allerdings von einem ganz anderen Niveau ausgehend. Wir sind immer noch viel, viel günstiger als Wien, Salzburg, Innsbruck oder Linz.

STANDARD: Wie viele Wohnungen sind derzeit in Planung oder Bau?

De Buck: Diese Zahlen sind nur grobe Schätzungen, aber langfristig haben wir Projekte von etwa 4.400 Wohnungseinheiten, die in Planung sind. In kürzerem Realisierungszeitraum sind es etwa 1.800 Wohnungen. An Ideen und Grundstücken mangelt es nicht. Die Bauträger realisieren ihre Projekte aber dem Bedarf entsprechend.

STANDARD: Welche Wohnformen wollen die St. Pöltener?

De Buck: Wir haben eine große Nachfrage nach Einfamilienhäusern, wie sie in anderen Großstädten kaum zu finden ist. Diesem Bedarf müssen wir auch nachkommen.

STANDARD: Gibt es auch ein Baugruppenprojekt?

De Buck: Wir würden ein solches Projekt unterstützen. Über das Stadtmagazin suchen wir derzeit nach Interessenten, die in diese Richtung denken.

STANDARD: Am Neugebäudeplatz stehen seit fast 20 Jahren Erdgeschoßzonen leer. Was tut die Stadt dagegen?

De Buck: Das ist ein großes Ärgernis. Aktuell gibt es wieder eine Gruppe lokaler Akteure, die sich recht intensiv mit der möglichen Nachnutzung dieser ehemaligen Handelsflächen beschäftigt. Das schaut nicht so schlecht aus. Wir sind recht hoffnungsfroh.

STANDARD: Nebenan entsteht das Projekt "Leben am Fluss", wieder mit neuen Einzelhandelsflächen. Ist das nicht kontraproduktiv?

De Buck: Das Projekt entsteht auf dem Areal der Hypo NÖ. Der Handel spielt dort eine absolut untergeordnete Rolle.

STANDARD: Gibt es auch in der Innenstadt Probleme mit Leerstand?

De Buck: Nicht über Gebühr stärker als in anderen Städten. Die Fluktuation ist hoch, die Gastronomie hat in den letzten Jahren stark zugelegt. Wir verfolgen die Entwicklung zwar mit Bedacht, können sie aber kaum beeinflussen. Wir versuchen aber, Handelsflächen in den Randlagen möglichst hinten anzuhalten.

STANDARD: Wie sind die Pläne für das Glanzstoff-Areal?

De Buck: Wir haben einen Masterplan entwickelt, der Schwerpunkt liegt klar im Wohnbau mit gewerblichen Nutzungen, die mit Wohnen gut verträglich sind. Das gesamte Areal ist ja 15 Hektar groß und ideal für eine gemischte Stadtteil-Entwicklung. Wir führen intensive Gespräche mit dem privaten Grundeigentümer. Einen zeitlichen Rahmen gibt es nicht. Zumindest in der Randzone entlang der Herzogenburger Straße kommt in diesem Jahr aber ein erstes Projekt in die Umsetzung. Auf dem Areal gibt es ja alte Industrieanlagen, die unter Denkmalschutz stehen. Das ist auch die Chance des Standortes, er hat ein Image – hoffentlich dann auch einmal ein gutes.

STANDARD: Welche großen Wohnbauprojekte gibt es sonst noch?

De Buck: Zwischen alter Kernstadt, also den Flächen in der Promenade und hin Richtung Krankenhaus, ist eine große Menge an Nachnutzungsflächen vorhanden, die punktuell schon realisiert werden, vorwiegend von Bauträgern aus Wien. Ein großer Bau mit 185 Wohnungen wurde in der Praterstraße entwickelt, ebenfalls von einem Wiener Bauträger. Dann gibt es noch die Flächen des ehemaligen Voith-Sportplatzes, die auch schon an einen Bauträger veräußert wurden. Hier entwickeln wir derzeit ebenfalls ein Konzept. (Bernadette Redl, 20.3.2018)