Die eineiigen Zwillinge und Ex-Astronauten Mark und Scott Kelly dienen als Testpersonen, um die gesundheitlichen Folgen von langen Aufenthalten im All zu untersuchen.
Foto: nasa

Washington/Wien – Allem Anschein nach muss man als Astronaut wenig von Genetik und Molekularbiologie verstehen, um ins All geschickt zu werden. Anfang dieser Woche setzte Scott Kelly nämlich einen Tweet ab, der in den vergangenen Tagen vor allem in den Boulevardmedien für einige Missverständnisse und Falschmeldungen sorgte.

Scott Kelly verbrachte von März 2015 bis März 2016 340 Tage nonstop im Weltraum, in seiner gesamten Karriere kam er damit auf 520 Tage Aufenthalt im All. Sein eineiiger Zwillingsbruder Mark Kelly war zwischen 2001 und 2011 an vier Missionen beteiligt und genoss insgesamt 54 Tage in der Schwerelosigkeit.

Das Projekt und die Berichte

Vor, während und nach Scott Kellys letztem Aufenthalt im All gaben die beiden Männer mit den identischen Genomen Blut- und Stuhlproben ab, damit analysiert werden kann, wie sich aufgrund der unterschiedlich langen Dauer im All bestimmte biologische Marker der beiden verändert haben – von den Längen der Chromosomen über die sogenannte DNA-Methylierung bis zu den Mikrobiomen.

Bereits vor mehr als einem Jahr veröffentlichte die Nasa erste Zwischenergebnisse der Auswertung, der Standard berichtete. Nun folgten einige weitere Erkenntnisse, die auch vom Magazin "Newsweek" aufgegriffen wurden. Scott Kelly las den Artikel und reagierte folgendermaßen: "Wie bitte? Meine DNA hat sich um sieben Prozent verändert! (...) Das könnten gute Nachrichten sein: Ich muss Raumschiffkommandant Kelly künftig nicht mehr als meinen identischen Bruder bezeichnen."

Unbegründetes Twitter-Vertrauen

Englisch- und deutschsprachige Medien nahmen die Twitter-Nachricht für bare Münze, und prompt titelte etwa die Bild-Zeitung: "Ein Jahr im All veränderte die eineiige DNA: Nasa-Zwillinge sind jetzt genetisch keine Zwillinge mehr." Auch im Spiegel war online von einem "mutierten Zwilling" die Rede.

Das ist natürlich Humbug. Denn die DNA, also die genetische Sequenz, hat sich keineswegs verändert – und schon gar nicht um sieben Prozent. Wenn das so wäre, dann könnte kein Astronaut im Weltraum überleben. Aufgrund dieser Falschmeldungen sah sich die Nasa am Donnerstag auch zu einer Klarstellung genötigt.

Epigenetische Veränderungen

Was sich verändert hat, ist das Epigenom, das quasi wie ein Mischpult regelt, welche Gene wie aktiv sind. Konkret sind dafür chemische Modifikationen an der DNA und der RNA zuständig, die sogenannte Methylgruppen. Und an diesen sind auch die Änderungen aufgetreten. Ähnliche Effekte hätte es vermutlich gegeben, wenn sich Scott Kelly ein paar Monate in hochalpinen Regionen mit weniger Sauerstoff und mehr UV-Strahlung aufgehalten hätte.

Das alles wurde untersucht und soll im Frühjahr präsentiert werden.
Illustration: NASA

Konkrete Details der umfassenden Studie, an der zahlreiche verschiedene Spezialisten beteiligt sind, wird man erst im Laufe des Frühjahrs erfahren. Einige dieser Daten werden freilich womöglich nie veröffentlicht, weil sie "zu privat" sein könnten. (KLaus Taschwer, 16.3.2018)