Zehntausende protestierten am Freitag Abend in Bratislava.

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Bratislava – Ungeachtet des Rücktritts von Ministerpräsident Robert Fico sind am Freitag neuerlich zehntausende Slowaken auf die Straße gegangen. Sie forderten Neuwahlen als einzige anständige Lösung der angespannten Situation im Land.

Zu den Protesten hatte die Bürgerinitiative "Für eine anständige Slowakei" aufgerufen. Die aktuelle Regierungskoalition, zusammengesetzt aus der sozialdemokratischen Smer, der Ungarnpartei Most-Hid und der rechtspopulistischen SNS, habe mit ihrer Entscheidung, auch nach dem Rücktritt von Fico weiterzumachen, die bürgerliche Gesellschaft "erniedrigt und hintergangen", erklärten die Organisatoren.

In den drei Wochen seit dem Mord am Investigativ-Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten habe sich in der Slowakei nicht viel verändert: Die Täter seien weiterhin unbekannt und im Hintergrund sind trotz der eingeleiteten Regierungsumbildung dieselben Menschen aktiv, begründeten sie.

"Fico ins Gefängnis"

"Neuwahlen" und "Fico ins Gefängnis" skandierte die Menschenmenge im Stadtzentrum von Bratislava. Allein in der slowakischen Hauptstadt kamen nach Schätzungen des Internetportals der Tageszeitung "Dennik N" rund 50.000 Menschen zur Protestkundgebung. "Den Mord ermitteln Hauptverdächtige", stand auf Transparenten. "Was braucht ihr noch? Einen Generalstreik?" erklang von der Rednertribüne.

Protestkundgebungen mit tausenden Teilnehmern fanden zeitgleich in mehr als 30 Städten der Slowakei statt, zahlreiche Veranstaltungen waren auch im Ausland geplant. Es handelte sich um die bereits dritte Protestserie innerhalb von drei Wochen. Vergangenen Freitag hatten sich die Veranstaltungen zu den größten regierungskritischen Massenprotesten seit der Wende 1989 entwickelt.

Mafia-Verstrickungen

Die Regierung des Sozialdemokraten Fico ist nach dem Mord an Kuciak und seiner Verlobten vor drei Wochen unter Druck geraten. Der Aufdecker hatte über Verstrickungen von Mafia-Kreisen und hoher Politik recherchiert, sein letzter Bericht über Mafia-Kontakte naher Mitarbeiter des Ministerpräsidenten hatte eine tiefe politische Krise im Land ausgelöst. Premier Fico, der am längsten amtierende Regierungschef in der Geschichte der selbstständigen Slowakei, gab schließlich dem Druck nach und trat "im Interesse der Stabilität des Landes" zurück.

Die bürgerliche Gesellschaft der Slowakei, wie auch die Parlamentsopposition, fühlt sich allerdings mit der am Donnerstag eingeleiteten Regierungsumbildung hintergangen. Die mitregierende slowakisch-ungarische Partei Most-Hid hatte sich am Montag den Forderungen nach Neuwahlen zunächst angeschlossen, ging dann aber auf das Rücktrittsangebot Ficos ein und erklärte sich bereit, die Regierung des Nachfolgers zu stützen.

Staatspräsident Andrej Kiska hatte am Donnerstag den bisherigen Vizepremier Peter Pellegrini mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Die Protestierenden und die Parlamentsopposition halten dies für einen "Wechsel von Figuren", während der unter Beschuss geratene Fico, der weiterhin Vorsitzender der sozialdemokratischen Smer ist, im Hintergrund die Fäden ziehe. (APA, 16.3.2018)