Woran man nun wohl denkt, wenn man die bosnische kleine Kaffeetasse, den fildžan, erblickt?

Foto: Wölfl

Jetzt hat auch Bosnien-Herzegowina einen #MeToo-Fall. Der Autor und Buchladen-Mitbesitzer Goran S. aus Sarajevo hat sich mittlerweile von seinen Funktionen in einem Verlag und in seinem Buchladen zurückgezogen. Er hatte via SMS einer ihm bekannten Autorin und Bloggerin, Jelena K., sein Sperma in einer bosnischen Kaffeetasse, einem fildžan, angeboten, damit sie Mutter werden könne. Die "schönen Beine" des gemeinsamen Kindes würde dann "nach ihm" kommen, "die Gescheitheit nach ihr". Mit diesem misslungenen Witzversuch meinte er indirekt, dass er keine "schönen Beine" habe und sie nicht gescheit sei. Als sie nicht antwortete, stellte er eine Frage, die wohl viele Frauen kennen: "Bist du wütend?" Mitsamt dieser Frage schickte er via SMS eine Rose, eine Tulpe und einen Marienkäfer.

Die Rose, die Tulpe und der Marienkäfer sollten wohl an ihre Versöhnlichkeit appellieren. Doch Jelena K. hatte offenbar keine Lust auf Blumen und Getier. Sie veröffentlichte die Konversation in sozialen Medien. Einige Autoren wollten sich daraufhin aus dem für Sarajevo wichtigen Buchladen, in dem auch Bücher verlegt werden, zurückziehen. Das Verlagshaus distanzierte sich öffentlich. Der Druck auf Goran S. wurde von Tag zu Tag größer. "Ich kann nur sagen, dass ich es zutiefst bedaure", schrieb S. schließlich öffentlich. Er nannte seine Botschaften "sowohl erbärmlich als auch elend".

Öffentliche Entschuldigung

Goran S. entschuldigte sich öffentlich bei Jelena K. und zeigte Reue. Jede öffentliche Person müsse die Worte, die sie schreibe, bedenken, meinte er. K. hatte vor allem kritisiert, dass S. sie ungefragt zur Mutter machen wollte, was damit zu tun habe, dass eine Frau in der bosnischen Gesellschaft offenbar nur dann anerkannt werde, wenn sie ein Kind hat. In einem Land, wo Schwangerschaft und Kind eine kostspielige Investition sind, sei das mehr als ein geschmackloser Witz, so K. "Mein Wunsch ist es, ein Baby zu bekommen, aber nur mit einem Partner, der mich respektiert und liebt und den ich lieben werde", schrieb sie. Sie hoffe, dass andere Frauen anfangen werden, darüber zu reden und für ihre Würde zu kämpfen.

Jelena K. sprach etwas an, was in vielen Situationen zwischen den Zeilen, in Blicken oder kleinen Bemerkungen in Südosteuropa mittransportiert wird: Wer keine Familie hat, mit dem stimmt irgendetwas nicht. Das gilt für Alleinstehende, für Homosexuelle im Besonderen. Wenn eine Frau keinen Typ hat, der sozusagen den Aufpasser, Wächter, zuständigen "Papa" oder "großen Bruder" spielt, versuchen zuweilen andere Typen, diese Frauen auszunutzen. Weil sie als schutzlos gelten. Weil man sie nicht ganz ernst nimmt, wenn sie keinen männlichen "Partner" haben. Weil man sie als Menschen an sich nicht voll respektiert und achtet.

Gescheite Frauen nicht beliebt

Hätte Jelena K. einen Mann neben sich sitzen gehabt, hätte Goran S. wohl nicht eine solche SMS verfasst. Der Versuch, K. als dumm darzustellen und auf ihre "schönen Beine" zu reduzieren, zeigt, dass S. offenbar intelligente Frauen als große Konkurrenz sieht und versucht, sie zu demütigen und zu dominieren. Gescheite Frauen sind auch auf dem Balkan nicht besonders beliebt.

Die Bemerkungen des Verlegers offenbaren aber noch etwas anderes: den weit verbreiteten Irrglauben von Männern, dass ihr Sperma etwas sei, was Frauen wirklich mögen – so als würde es sich um köstlichen Quittenschnaps oder Mangosaft oder spanischen Rotwein handeln. Diese Männer scheinen nicht zu realisieren, dass es bloß Sperma ist. Es zeugt zudem von mangelnder Selbsteinschätzung, Eitelkeit und Narzissmus, die noch dazu durch Pornografie genährt werden, dass manche Männer denken, dass sich irgendwer für ihr Sperma wirklich interessiert.

Unangenehme Gedanken

Und im Übrigen ist es für die Menschheit unangenehm und sicherlich nicht hilfreich, wenn man nun jedes Mal, wenn man die bosnische kleine Kaffeetasse, den fildžan, serviert bekommt, an das Sperma von Herrn S. denken muss. Wir stellen uns also ab jetzt vor, dass sich sein Sperma in Kaffeesud verwandelt und dass wir daraus die Zukunft lesen: "Alle bosnischen Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 19.3.2018)