In elf dänischen Asylzentren haben Shakira und ihr Sohn Tafik bereits gelebt. Nun, nach acht Jahren im Asylsystem, haben die beiden Kongolesen den endgültigen Abschiebebescheid erhalten. Das "Ausreisezentrum" Sjælsmark könnte ihre letzte Station in Europa sein.

Foto: Atefie

Für Shakira und Tafik bedeutet das Abschiebelager Sjælsmark, etwa 30 Kilometer außerhalb von Kopenhagen, vorerst auch die Endstation ihres langen Kampfs um Asyl in Dänemark. Denn vor kurzem erhielt sie ihren endgültigen Abschiebebescheid – und das, obwohl der neunjährige Tafik unter schweren Depressionen leidet und aus Angst vor einer Abschiebung seit Jahren ins Bett nässt. Sie müssen zurück in den Kongo, wo sie weder Familie noch Freunde haben – alle seien geflüchtet oder im Bürgerkrieg ums Leben gekommen.

Weil Shakira auch Wurzeln in Ruanda hat, seien sie weder dort noch im Kongo sicher, geschweige denn willkommen, "aber das interessiert die dänischen Behörden nicht" – obwohl sie mit ihrem Sohn bereits einmal von vier Polizisten nach Kinshasa begleitet wurde und letztendlich doch wieder zurückgeflogen wurde, weil die kongolesischen Behörden sie nicht einreisen lassen wollten.

Eingeschränkter Zugang

Ganze 67 Gesetzesänderungen hat die Regierung unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen allein seit dem Amtsantritt 2015 vorgenommen – nur im Asylbereich, wohlgemerkt. Dass die zwei überhaupt im Abschiebelager leben, liegt an einer dieser Novellen. Denn früher konnten Familien bis zur Abschiebung zumindest in den wesentlich besser ausgestatteten Asylzentren bleiben. Im "Ausreisezentrum" Sjælsmark, wie es positiv formuliert heißt, sind Journalisten explizit unerwünscht, doch Shakira lädt den Standard zum Hausbesuch ein – die einzige Möglichkeit für Medienvertreter, hineinzukommen, denn Bewohner haben das Recht, Gäste zu empfangen.

Der Eingang ist mit Kameras überwacht. Um ein- und auszugehen, muss der Portier eine elektrische Stahltür bedienen. Es gibt hier in der alten Kaserne nur das Allermindeste zum Leben. "Das Essen hier ist nicht nur ungenießbar, sondern auch zu wenig, um satt zu werden," sagt die 42-jährige Kongolesin. Sie würde ihrem Sohn gerne selbst etwas kochen und in die Schule mitgeben, aber eine Küche für die Bewohner gibt es hier nicht. Deswegen bekommt Tafik jeden Tag eine in Plastik verschweißte Mahlzeit – dadurch würde er vor seinen Klassenkollegen zusätzlich stigmatisiert.

System "schlimm und zermürbend"

Die Kongolesin kennt das dänische Asylsystem sehr gut. Seit ihrer Flucht vor acht Jahren hat sie mit ihrem Sohn bereits in elf unterschiedlichen Asylzentren gelebt. Das System hält sie für "unglaublich schlimm und zermürbend." Eine Lösung scheint für die Lagerbewohner in Sjælsmark nicht in Sicht. Mit den wenigsten Staaten, in die abgeschoben werden soll, hat Dänemark Rückführungsabkommen. Deshalb warten einige hier schon über zehn Jahre.

Alle dänischen Flüchtlingszentren liegen fernab der Städte, eingebettet zwischen idyllischen Wiesen und Seen, allerdings ohne Möglichkeit, Anschluss an die dänische Gesellschaft zu finden. "Wir möchten unsere Asylzentren nicht zu Magneten für Zuwanderer machen, die nicht vor Krieg fliehen. Es gibt ohnehin nur 30 bis 40 Prozent positive Bescheide, der Rest sind normale Migranten," sagt Marcus Knuth, er ist Migrationssprecher der konservativ-liberalen Regierungspartei Venstre.

Jahrelang auf Wände starren

Widerspruch kommt von Morten Goll, dem Chef der Kopenhagener Flüchtlings-NGO Trampolinhuset. "Dieses System schafft die beste Kundschaft des Sozialstaats. Die Flüchtlinge starren jahrelang auf weiße Wände, man nimmt ihnen jegliche Ambition und drängt sie in eine Opferrolle. Wenn sie dann doch Asyl bekommen, sind sie völlig desozialisiert."

Das Trampolinhuset liegt in Kopenhagens multikulturellem Stadtteil Norrebrø, dort treffen sich jeden Monat hunderte Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge, um sich mit Dänen auszutauschen. Es gibt eine Kinderspielecke, Dänischkurse, Rechtsberatung und auch Yogastunden. In der Freiwilligenküche hilft Shakira mit, sie kümmert sich hier um Mittagsessen und Caterings und ist heilfroh, nicht tatenlos in Sjælsmark sitzen zu müssen: "Ohne das Trampolinhuset hätte ich überhaupt keinen Kontakt zu Dänen."

Shitstorm für Migrationsministerin

2017 gab es in Dänemark rund 3500 Asylanträge, 2015 waren es noch etwa 21.000. Die Strategie der Regierung, um die Zahl der Asylansuchen zu verringern, dürfte also aufgehen. Ihre 50. Gesetzesänderung feierte die dänische Migrationsministerin Inger Støjberg sogar mit einem Kuchen. Das Foto davon stellte sie auf Facebook und löste so einen Sturm der Entrüstung aus, auch wenn viele Dänen diese Politik unterstützen.

Zu den neuen Regeln zählt unter anderem, dass der Status von subsidiär Schutzberechtigten jedes Jahr anstatt wie früher alle drei Jahre überprüft wird. "Unübersichtlich, widersprüchlich und menschenunwürdig" sei all das in den Augen von Morten Goll. Jeden Tag erlebe er, wie seine Pro-bono-Anwälte an den Paragrafen verzweifeln. Während ein Absatz für einen positiven Asylbescheid des Klienten sprechen würde, könnte wenige Zeilen darunter die Situation schon wieder ganz anders aussehen. Eine Schikane für alle Beteiligten sei das.

Marcus Knuth von Venstre sieht das naturgemäß anders. Es sei in wenigen Jahren viel erreicht worden, einige Gesetze seien wahre Errungenschaften in Migrationsfragen. "Wir konnten die Sozialleistungen für alle arbeitslosen Menschen verringern, die weniger als sieben von acht Jahren in Dänemark gelebt haben, deshalb haben auch bereits pensionierte Flüchtlinge einen geringeren Pensionsanspruch."

Warten auf Österreich

Dass auch Österreich sein Asylsystem verschärft, begrüßt Knuth. Es würde Europa helfen, weniger attraktiv für Migranten zu werden. "Als 2015 so viele Asylsuchende nach Dänemark gekommen sind und wir gemerkt haben, dass gerade junge Burschen für Probleme in den Gemeinden gesorgt haben, haben wir eine – bisher ungenutzte – Regel erlassen, die es uns im Extremfall erlaubt, Ausgangssperren zu erlassen." Aktuell sei das kein Thema, so Knuth, "auch weil wir wissen, dass uns durch die Europäische Menschenrechtskonvention die Hände gebunden sind. Wir blicken aber gespannt nach Österreich, welche Lösung dort gefunden wird."

Was seit 2015 in Dänemark passiert, beurteilt Flüchtlingshelfer Morten Goll folgendermaßen: "Man ging in die Knie vor der nationalistischen dänischen Volkspartei, und man wollte die Antiflüchtlingsstimmung im Land nutzen, um Rückenwind und Popularität für die frisch gewählte Regierung zu erhalten. Und die wollte um jeden Preis erreichen, dass die Botschaft auch bis ins tiefste Afghanistan dringt: 'Dänemark ist kein Ort, an dem Flüchtlinge willkommen sind.'" (Nikolai Atefie aus Kopenhagen, 19.3.2018)