Journalist Thomas Ramge, Robo-Psychologin Martina Mara (v. li.), Cyberabwehr-Mann Walter Unger und Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle (v. re.) sprachen mit Eric Frey (der STANDARD, Mitte).

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"Ein Best-of aller Technologien aus dystopischen Romanen seit 1984" sei es, das Chinas Regierung schon heute nutze – und dessen Anwendung in Europa von Demokraten erst einmal vermieden werden müsse. Die Ausbreitung von Überwachung, Troll-Armeen und Cyberangriffen kann für die liberale Ordung zur Gefahr werden – darüber waren sich alle Diskutanten am Sonntag im Burgtheater mit Brand eins-Journalist Thomas Ramge einig, von dem das Zitat stammt. "Bedroht die Digitalisierung die Demokratie?" lautete der Titel der Veranstaltung, zu der die Erste Stiftung, das Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) und DER STANDARD geladen hatten.

Wie weit der Prozess in Europa und den USA schon fortgeschritten ist und wie eine Unterwandung abgewehrt werden kann – darüber wurde unter der Moderation von STANDARD-Chef vom Dienst Eric Frey heftig diskutiert. Robo-Psychologin Martina Mara vom Ars Electronica Futurelab etwa betonte, wie weit die Forschung zu den Effekten möglicher Beeinflussung noch von Antworten auf grundlegende Fragen entfernt sei. Empirisch sei vieles sehr schwer zu untersuchen. Die britische Firma Cambridge Analytica etwa, die wegen ihres Einflusses auf die US-Wahl 2016 nun wieder in den Nachrichten ist, könne selbst nur begrenzt erklären, in welcher Weise ihre Social-Media-Arbeit nun genau zur Wahl des aktuellen US-Präsidenten beigetragen habe.

Der Schaden ist schnell da

Echte Beeinflussung sei unter Umständen aber auch nicht nötig, führte Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle an. Das Wichtigste an der Politik sei das Vertrauen – werde dieses untergraben, sei es nicht nötig, dass es vorher wirklich einen Schaden gegeben habe. Sorge mache ihr vor allem, dass sich Individualisierung in der Gesellschaft im Netz als Polarisierung widerspiegle. "Das, worum es in der Demokratie tatsächlich geht, nämlich Kompromisse zu finden, mit denen alle leben können" – das trete in den Hintergrund.

Angst davor, dass ein möglicher Angriff auf Wahlen gar nicht entdeckt werden könnte, gibt es im Abwehramt des Österreichischen Bundesheeres offenbar nicht. Dessen Abteilungsleiter für Cyberabwehr Walter Unger sagte bei der Diskussion, dass man zumindest im Nachhinein recht leicht feststellen könne, ob und welche Manipulationen es gegeben habe. Mehr Sorgen macht ihm ein anderer Aspekt: dass Cyberangriffe als Machtpolitik verwendet würden. Schon heute sei es möglich, Strom- und Wasserinfrastruktur zu attackieren. Auch Österreich müsse sich darauf vorbereiten – und gegebenenfalls auch die Fähigkeit zum Gegenschlag haben.

Dass zumindest in Europa die Abwehr gelingt, hielt auch Ramge für zentral. Dann könne der Kontinent vielleicht sogar jene Vorbildwirkung entfalten, die im 20. Jahrhundert die amerikanische Demokratie hatte. Deshalb, so auch Stainer-Hämmerle, sei es so wichtig, dass Demokratien einander gegenseitig gegen Angriffe verteidigten – "was bleibt uns sonst?" (esch, 18.3. 2018)