STANDARD: Brexit oder US-Protektionismus Marke Trump: Was klingt für Rolls-Royce bedrohlicher, worauf bereiten Sie sich vor?

Müller-Ötvös: Rolls-Royce ist Teil der BMW Group; und die ist einer der größten Investoren in den USA. Mit der Investition in das Werk in Spartanburg hat BMW eine Menge Arbeitsplätze geschaffen. Und BMW ist der größte Automobilexporteur der Vereinigten Staaten. Daher sind wir auch im Konzern der Meinung, dass Free Trade entscheidend und gut für alle ist.

STANDARD: Die Rohkarosserien stammen aus Deutschland (Dingolfing), Motoren und Getriebe auch – das wird steuertechnisch womöglich alles verdammt kompliziert. Erwägen Sie einen Standortwechsel?

Die Geste des Rolls-Royce-Chefs deutet die wahre Größe des ersten SUV der Marke nur dezent an.
Foto: Rolls-Royce

Müller-Ötvös: Nein. Rolls-Royce ist britisch und wird auch immer britisch bleiben. Das Britsche ist Teil des Markenversprechens international. Gerade die Heritage ist für viele unserer Kunden weltweit ein wichtiger Kaufgrund. Vor dem Hintergrund gibt es keinerlei Erwägungen, den Standort zu wechseln. Ich bin sehr daran interessiert, auch in Zukunft vernünftige Handelsbeziehungen flechten zu können mit allen weltweiten Märkten. Und ich bin zuversichtlich, dass mit der englischen Regierung und auch mit Brüssel eine entsprechende Vereinbarung zu treffen ist.

STANDARD: Zum Cullinan, Ihrem ersten SUV, der noch heuer auf den Markt kommt: Sind Revierstreitigkeiten mit Bentley und Range Rover vorprogrammiert, oder ist Platz genug für alle drei, jeweils in einem eigenen Marktsegment?

Müller-Ötvös: Also da sehe ich keine Revierstreitigkeiten. Wir operieren in einem völlig anderen Preissegment und sind ja, gerade was Bentley angeht, deutlich über dieser Marke positioniert. Der Cullinan wird sein eigenes Segment finden, genau so wie das für einen Ghost, einen Wraith und einen Dawn geschehen ist. In dem Segment ist genügend Platz für alle.

STANDARD: Scherzfrage: Kommt der Cullinan auch als Cabrio?

Müller-Ötvös: (lacht) Nein, das bietet sich nicht an.

Dass der erste Rolls-Royce-SUV Cullinan heißt, ist offiziell bestätigt.
Foto: Rolls-Royce

STANDARD: Der Cullinan wird den Absatz gleich einmal potenzieren. Bis zu welcher stückzahlmäßigen Größenordnung funktioniert die markentypische Exklusivität noch?

Müller-Ötvös: Markentypische Exklusivität hat im Wesentlichen etwas mit hoher Preisposition zu tun. Hohe Preisposition limitiert das Volumen, und das ist eine ganz klare strategische Ausrichtung für uns. Wir verkaufen derzeit um die 4000 Fahrzeuge pro Jahr, mit dem Cullinan wird das etwas mehr werden, das ist klar. Aber auch dann werden wir exklusiv bleiben. Wir haben immer gesagt, dass wir niemals fünfstellige Stückzahlen produzieren werden – und dass wir auch niemals ein Angebot unterhalb des Ghost in den Markt bringen werden. Die Preisposition bleibt unverändert hochgradig exklusiv.

STANDARD: Wird die Modellpalette weiter aufgespreizt, oder ist hier das Ende der Fahnenstange?

Müller-Ötvös: Nein, ich glaube, mit dem Cullinan ist das Portfolio perfekt aufgestellt. Wir sind mit unseren Limousinen, den Coupés und Cabrios sehr erfolgreich und bringen mit dem Cullinan ein völlig neues Segment: den Rolls-Royce der SUVs.

STANDARD: Antriebskonzepte: Geht die aktuelle Debatte um Elektrifizierung an Rolls-Royce vorbei, oder muss die Marke aus Erwägungen politischer Korrektheit zumindest Plug-in-Modelle vorweisen können?

Müller-Ötvös: Die geht keineswegs an uns vorbei, und ich hab ja bereits angekündigt, als wir vor zwei Jahren unser Vision Car, den 103EX, vorgestellt haben, dass die Marke sehr wohl im nächsten Jahrzehnt vollelektrisch geht und elektrifiziert wird.

STANDARD: Noch weiter in die Zukunft gedacht: Halten Sie einen batterieelektrischen Rolls-Royce für denkbar, oder wäre eher Wasserstoff-Brennstoff-Zelle vernünftig?

Müller-Ötvös: Eine Frage des Speichermediums. Fakt ist, dass wir natürlich auch die Elektrifizierung langfristig sehen, wie gerade eben angesprochen. Im Übrigen passt der elektrische Antrieb hervorragend zur Marke: Er ist leise, sehr drehmomentstark und vor diesem Hintergrund perfekt für die Marke Rolls-Royce geeignet.

Diese Burg von einem Luxusmobil positioniert sich auch preislich deutlich über Bentley und Range Rover.
Foto: Rolls-Royce

STANDARD: Autonomes Fahren: Ersetzt der Roboter in zehn, 15 Jahren den klassischen Chauffeur? Was ergeben Kundenbefragungen zu diesem Thema?

Müller-Ötvös: Wenn es gelingt, autonomes Fahren völlig unangestrengt, sicher und perfekt zu machen – und dazu zählt natürlich auch: Was ist erlaubt? In welchen Zonen darf überhaupt autonom gefahren werden? Wenn dieses alles gelingt, steht einem autonomen Fahren für die Marke Rolls-Royce nichts im Wege. Im Übrigen: Auch der 103EX war ja schon klar gezeichnet mit dem Bild autonomen Fahrens.

STANDARD: Vernetzung und Digitalisierung: Wie weit darf, wie weit muss Rolls-Royce hier gehen? Wollen die Kunden das? Und wenn ja: Was wollen sie genau?

Müller-Ötvös: Vernetzung geschieht ja heute schon bei uns. Das heißt, sie sind heute schon in der Lage, in einem Phantom Videos und Musik zu streamen. Die Vernetzung wird mit Sicherheit weitergehen und ist gerade bei unseren jüngeren Kundengruppen ein ganz zentrales Thema.

STANDARD: Zur Veränderung der Kundenstruktur seit der Übernahme der Marke durch BMW: Wie sehr verjüngt der China-Boom den Altersschnitt? Wie sieht heute der typische Kunde aus – oder ist das Typische gerade der Umstand, dass es keinen solchen gibt, von einer grundlegenden pekuniären Potenz einmal abgesehen?

Müller-Ötvös: Die Verjüngung der Marke hat nichts mit China zu tun. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Sondern mit einem guten Ausbau des Produktportfolios. Im Wesentlichen Wraith, Dawn. Aber auch die Linie Black Badge (Ausstattungslinie; Anm.) hat uns deutlich jüngere Kunden gebracht. Keine Überraschung vor dem Hintergrund, dass sich Ultra High Net Worth Individuals (UHNWIs, Menschen mit Nettovermögen von 50 Millionen US-Dollar aufwärts; Anm.), Millennials (in der Zeit von etwa 1980 bis 2000 Geborene) künftig deutlich jünger entwickeln, gerade vor dem Hintergrund neuer Einkommensquellen. Viele unserer Kunden kommen heute aus dem IT-Bereich, aus dem Plattform-Business. Diese signifikante Veränderung bei den UHNWIs ist es, die die Veränderungen in der Soziodemografie unserer Kunden treibt, und das ist eben nicht nur ein chinesischer Effekt, sondern ein gesamtasiatischer – und übrigens ein Effekt, den wir auch in den USA sehen und auf unserem Heimatmarkt in England.

Müller-Ötvös: "Wenn es gelingt, das völlig unangestrengt, sicher und perfekt zu machen, steht dem autonomen Fahren für Rolls-Royce nichts im Wege."
Foto: Rolls-Royce

STANDARD: Ihre persönlichen Favoriten, Ihre Lieblingsautomobile aus der Automobilgeschichte?

Müller-Ötvös: Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert, in diesem Jahr vor allem von unserem Phantom. (Andreas Stockinger, 19.3.2018)