Globuli und Co werden auch in Apotheken angeboten. Die Beratung lässt zu wünschen übrig, sagen Psychologen.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Erfurt – Zur Wirksamkeit der Homöopathie gibt es eine Reihe klinischer Studien. Die meisten Untersuchungen erfüllen allerdings nicht die methodischen Mindeststandards. In jenen Studien, die den wissenschaftlichen Kriterien genügen, lässt sich hingegen kein nachweisbarer Effekt homöopathischer Präparate feststellen, der über die Wirkung eines Placebos hinausgeht. Soweit der Stand der Wissenschaft.

Trotzdem werden homöopathische Mittel in Apotheken angeboten. Dort sollten Kunden auch eine entsprechende Aufklärung erhalten, betonen Psycholgen der Uni Erfurt. Das heißt, Kunden müssten in einer Apotheke nach aktuellen wissenschaftlichen Kriterien beraten werden. Denn nach den Leitlinien der Bundesapothekenkammer sollen Beratung und Beurteilung der Wirksamkeit von Präparaten nach pharmakologisch-toxikologischen Kriterien erfolgen.

Der Sozial- und Wirtschaftspsychologe Tilmann Betsch und sein Forscherteam haben nun 100 Apotheken in Stuttgart, Erfurt, Leipzig und Frankfurt nach dem Zufallsprinzip getestet. In der Stichprobe befanden sie 23 Filialen einer Kette und 77 freie Apotheken. Ihre Erhebung führten die Wissenschafter als verdecktes Interview durch. Dabei baten sie um ein Mittel für ihre erkälteten Familienmitglieder. Für den Verlauf des weiteren Gesprächs hatte das Team einen Leitfaden mit standardisierten Antworten auf Fragen erstellt, die nach den Vorgaben der Bundesapothekenkammer für Beratungsgespräche zu erwarten wären.

Am häufigsten empfohlen: Halsschmerzmittel

In allen Varianten fragte der Forscher zuerst, ob es sich bei vorgeschlagenen Medikamenten auch um homöopathische Präparate handelt. Wurde dies bejaht, wurde nach Unterschieden in der Wirksamkeit gefragt. Enthielt die Erstempfehlung keine homöopathischen Präparate, sagte der Mystery-Shopper: "Ich habe gehört, dass Homöopathie vielleicht auch eine Alternative wäre. Stimmt das?" Abschließend wurde um eine konkrete Empfehlung gebeten.

Das Ergebnis der Studie: In 54 der 100 Fälle enthielt das Beratungsgespräch mindestens eine Frage aus den Beratungsleitlinien der Bundesapothekenkammer – etwa, ob beim Patienten auch andere Erkrankungen vorliegen. Die Erstempfehlungen enthielten immer mehrere Präparate. Am häufigsten wurden Halsschmerzmittel empfohlen, gefolgt von schleimhautabschwellenden Nasensprays und anderen Schmerzmitteln. Die große Mehrheit der Erstempfehlungen enthielt kein homöopathisches Präparat. Ausschließlich homöopathische Mittel wurden in keinem Fall empfohlen.

In 14 der 100 Beratungen enthielten die Erstempfehlungen auch homöopathische Präparate. Nach Unterschieden in der Wirksamkeit zwischen homöopathischen und schulmedizinischen Präparaten gaben 14 Apotheker an, dass keine Unterschiede in der Wirksamkeit bestünden.

Nur fünf Prozent wissen über Homöopathie Bescheid

In den 86 Beratungsgesprächen, in denen die Erstempfehlung keine homöopathischen Präparate enthielt, fragte die Kundin, ob Homöopathie eine Alternative wäre. In 28 Prozent der Fälle wurde dies verneint, in 49 Prozent der Fälle wurde die Frage bejaht. In den restlichen 20 Beratungsgesprächen (24 Prozent) wurde die Frage nicht eindeutig beantwortet. Mitunter wurde dabei darauf verwiesen, dass Kunden häufig homöopathische Präparate in Kombination mit anderen "zur Unterstützung" einnähmen.

Auch in diesen 86 Gesprächen fragten die Forscher nach der Wirkung von Homöopathie. In lediglich 5 der 86 Fälle verwiesen die Apotheker darauf, dass die Wirkung von Homöopathie empirisch nicht nachgewiesen sei. In 19 Fällen wurde sogar behauptet, dass die Wirkung homöopathischer Präparate durch klinische Studien eindeutig bewiesen sei. In 11 Fällen wurde gesagt, dass die Wirkung durch das Erfahrungswissen nachgewiesen wäre.

Abschließend wurden die Apotheker um eine endgültige Empfehlung gebeten. Insgesamt blieb die überwiegende Mehrheit der Apotheker bei ihrer Erstempfehlung. Nur fünf Personen boten zusätzlich homöopathische Präparate an.

Mehrheit richtet sich nicht nach Leitlinien

"Zum einen zeigen unsere Ergebnisse, dass im Falle eines grippalen Infektes die überwiegende Mehrzahl von ihnen zu schulmedizinischen Präparaten rät, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Linderung der Symptome führen. Was die Wirkung von Homöopathie betrifft, so zeichnet unser Untersuchungsergebnis aber ein eher düsteres Bild", sagt Studienleiter Tilmann Betsch.

In nur fünf Prozent aller Beratungsgespräche wurde gesagt, dass es für die Wirkung von Homöopathie keine wissenschaftlichen Belege gäbe. In 30 Prozent aller Beratungsgespräche wurde dagegen behauptet, dass die Wirkung von Homöopathie entweder in Studien nachgewiesen sei oder sich aus dem Erfahrungswissen ergäbe.

"Nach den Leitlinien der Bundesapothekenkammer soll jedoch die Beurteilung der Wirksamkeit von Präparaten nach pharmakologisch-toxikologischen Kriterien erfolgen. Zumindest was die Begründung ihrer Empfehlungen betrifft, folgte die überwiegende Mehrheit der von uns befragten Apotheker diesen Leitlinien nicht. Hier orten die Wissenschafter einen Weiterbildungsbedarf bei vielen Apothekern. (red, 19.3.2018)