Rund 62 Millionen User werden mittels IP-Sperre am Aufruf von E-Books bei Project Gutenberg gehindert.

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Wer gerne in älterer Literatur schmökert, kommt am "Project Gutenberg" kaum vorbei. Die freie Online-Bibliothek sammelt Werke, die von ihren Autoren für gemeinfrei erklärt wurden oder aufgrund des Auslaufens ihres Copyrights nunmehr der Allgemeinheit zur Verfügung stehen und bietet sie in digitaler Form an. Darunter befinden sich auch einige weltbekannte Werke.

Der Bestand von über 56.000 E-Books ist seit kurzem jedoch vielen Menschen nicht mehr zugänglich. Denn Project Gutenberg hat sein Angebot für deutsche Nutzer gesperrt. Zieht man die jüngsten Ergebnisse einer Onlinestudie von ZDF und ARD heran, geht es somit um 62 Millionen Menschen.

Block für IPv4 und IPv6

Die Startseite wird zwar auch für User aus Deutschland geladen. Will man jedoch ein Buch aufrufen, so landet man auf der Seite für den Fehler 403. Dort findet sich auf der Verweis auf eine Infoseite, die eine kurze Erklärung für die Sperre liefert. Blockiert werden deutsche IPv4-Adressen bereits seit 28. Februar. Nun werden auch IPv6-Adressen deutscher Herkunft ausgeschlossen.

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Die Betreiber warnen zudem vor dem Einsatz eines VPNs, um ihr Angebot trotzdem aufrufen zu können. Bei einem Test gab es bei der Verwendung der Seite über einen finnischen VPN-Server keinerlei Probleme.

Copyright in Deutschland noch nicht ausgelaufen

Hintergrund der Sperre ist ein Disput um Urheberrechte, die international nicht einheitlich geregelt sind. Konkret geht es um 18 Bücher von Alfred Döblin sowie Thomas Mann und Heinrich Mann, an denen der Verlag S. Fischer in Deutschland die Rechte hält und die Bücher aktuell auch noch verkauft.

Diese sind nach US-Recht mittlerweile "Public Domain". Nicht aber nach deutschem Recht, wo das Copyright erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors ausläuft. In den USA gilt mittlerweile der gleiche Zeitabstand, bezieht sich allerdings auf das Erscheinungsdatum eines Werks in den Vereinigten Staaten (und nur auf den Tod des Autors, wenn dieser vor dem Publikationsdatum liegt). Die Übersetzungen der von Fischer reklamierten Bücher erschienen dort in den 1920er-Jahren.

Heinrich Mann verstarb im Jahr 1950, dementsprechend werden seine Werke in Deutschland erst ab 2020 der Allgemeinheit kostenlos zugänglich. Sein jüngerer Bruder Thomas verschied 1955, Alfred Döblin 1957.

Reaktion auf erstinstanzliches Urteil

Der Fischer-Verlag hatte eine Klage gegen Project Gutenberg eingereicht und diese vor dem Landgericht Frankfurt in erster Instanz gewonnen. Gutenberg reagierte mit der Sperre für deutsche Nutzer, die wiederum von Fischer als überzogen kritisiert wurde, zumal man nur verpflichtet gewesen wäre, die fraglichen Werke unzugänglich zu machen.

Die Projektbetreiber rechtfertigen ihre Vorgangsweise jedoch damit, dass sie sich vor potenziellen Klagen wegen anderer Bücher schützen wolle, bis die Rechtslage geklärt sei. Man ist der Ansicht, dass für das Portal aufgrund des Standorts eigentlich US-Recht anzuwenden sei und hat Berufung gegen das Frankfurter Urteil eingelegt. (gpi, 19.03.2018)