Der Etappensieger des Radrennens Tour du Mali, Abou Sanogo, in Bougouni.

Foto: Fédération malienne du cyclisme

Hut ab vor Abou Sanogo: Der junge Radfahrer tritt in die Pedale, als wäre die Landstraße zwischen Bamako und Bougouni nicht voller Staub, Hitze und Gefahren. Kriegsgefahren. Dem dreißigköpfigen Fahrerfeld der Tour du Mali folgen dichtauf mehrere Lastwagen mit Elitesoldaten auf der Ladefläche. Das Gewehr im Anschlag, beobachten sie das Buschwerk auf der Seite. Zuvorderst fährt Sanogo. Der Halbprofi trotzt allen Widersachern und Heckenschützen. Nach 141 Kilometern fährt er als Sieger in Bougouni ein und freut sich, als hätte er die Tour de France gewonnen.

Der Krieg in Mali, anfänglich auf den Norden des Landes beschränkt, rückt derweil in den Süden vor: Die achte Ausgabe der Tour du Mali ist auf drei Etappen im Süden geschrumpft; der Rest des Landes ist zu unsicher. In der Hauptstadt Bamako (3,4 Millionen Einwohner) fanden bereits Anschläge auf ein Luxushotel, eine Bar, ein Tourismusresort statt. Zielscheibe waren jeweils Franzosen. Sie hatten vor fünf Jahren, von Jänner bis Juli 2013, Elitetruppen und Fremdenlegionäre nach Nordmali geschickt, um die wüstenerprobten Islamisten, die nach dem Sturz des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi nach Mali zurückgekehrt waren, aus ihrem theokratischen Staat Azawad in Nordmali zu vertreiben.

Die Operation gelang. Nun aber verheddern sich die Franzosen zunehmend in die ethnisch, religiös und politisch sehr komplexen Verhältnisse Malis. "Es ist wie in Afghanistan: Je mehr sich die französische Armee engagiert, desto schlimmer wird die Lage, desto stärker wird der bewaffnete Jihadismus", meint der französische Exdiplomat und Afrika-Experte Laurent Bigot.

Ethnisches Pulverfass

Zwischen Sahel und Sahara gelegen, ist Mali ein Schlüsselstaat Westafrikas. Die Jihadisten haben die Wüstenzone verlassen und die französischen Stellungen umgangen: Sie missionieren neu im zentralen Landesteil. Mit ihren Slogans gegen die "Kolonialisten" in Paris und die "Plünderer" in Bamako ziehen sie die Ethnie der Fulbe auf ihre Seite. Diesen eher hellhäutigen Hirten und Viehzüchtern versprechen die Islamisten eine Rückkehr zu ihrem im 19. Jahrhundert blühenden Reich. Das ist auch gegen die sesshaften Dogons gerichtet. So verwandeln die Jihadisten den malischen Schmelztiegel mithilfe lokaler Wahhabitenprediger in ein ethnisches Pulverfass.

"Man sieht in Gao kaum Soldaten, dafür immer mehr Zivilisten mit Gewehren", erzählt Souleyman, ein Telekomverkäufer, der seinen Nachnamen nicht nennen will. "Nach zwei Monaten in Mopti und Gao bedrohten mich bärtige Männer. Sie sagten mir, wir brauchen hier keine Handys mehr, wenn wir die Scharia eingeführt haben", sagt der 35-jährige Malier, der von seiner Firma nach Bamako zurückbeordert wurde.

Die Handvoll Terrorgruppen von Al-Kaida, IS oder des berüchtigten Tuaregkämpfers Iyad ag Ghali stoßen auch über die Grenzen Malis in benachbarte Länder vor. In Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, brachten sie Anfang März sieben einheimische Militärs um. Der nur mit Armeekomplizen mögliche Anschlag galt offenbar einer Tagung der Staatengruppe G5 Sahel (Mali, Burkina, Tschad, Mauretanien und Niger). Sie soll auf Betreiben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und mit finanzieller EU-Hilfe eine Nachfolgetruppe für die Operation Barkhane auf die Beine stellen. Die 10.000 Uno-Blauhelme der Minusma-Truppe können die Lage allein nicht stabilisieren.

Uno-Ultimatum

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta setzt allerdings kaum Schritte. Der Uno-Sicherheitsrat hat ihm deshalb auf französischen Wunsch ein Ultimatum gesetzt: Wenn er ein 2015 geschlossenes Friedensabkommen zwischen Maliern und Tuareg nicht bis Ende März umzusetzen beginnt, kürzt die Uno die Entwicklungshilfe für Mali. Doch IBK, wie man Keïta in Bamako nennt, kümmert vor allem seine Wiederwahl im Juli. Die Franzosen sind ihrerseits im Norden beschäftigt.

So stoßen die radikalen Kriegstreiber im Zentrum des Landes auf wenig Widerstand. Wie ein Tour-du-Mali-Organisator in Bougouni sagte: "Möge das Radrennen nächstes Jahr überhaupt noch stattfinden – Inshallah!" (Stefan Brändle aus Bamako, 20.3.2018)