An die acht Millionen Besucher kommen jedes Jahr nach Gizeh nahe Kairo, um die weltberühmten Pyramiden zu bewundern. Ägypten will sich touristisch nun breiter aufstellen, will die Mittelmeerküste entwickeln und setzt verstärkt auf Gesundheitstouristen.

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Kairo/Wien – Im Sommer vor drei Jahren verbreitete sich die Nachricht in Windeseile: Eni, der italienische Staatskonzern, habe einen riesigen Gasfund vor der Küste Ägyptens gemacht, den größten im Mittelmeer und einen der größten in letzter Zeit weltweit.

Schon damals hat von Staatspräsident Abdelfattah al-Sisi abwärts das ganze offizielle Ägypten gejubelt. Das Gasfeld "Zohr", was auf arabisch so viel heißt wie "Blüte", sollte die klammen Staatskassen für lange Zeit gehörig auffüllen.

Seit Dezember strömt nun das erste Gas aus dem Feld, das rund 180 Kilometer vor Port Said in 1.500 Metern Wassertiefe liegt. Die Euphorie in Ägyptens Hauptstadt ist ungebrochen, wie sich der STANDARD bei einem Lokalaugenschein in Kairo überzeugen konnte. Schon Ende nächsten Jahres könnte das größte Land der arabischen Welt vom Gasimporteur zum Gasexporteur werden. Die Produktion soll den Plänen zufolge von 350 Millionen Kubikfuß (entspricht 9,9 Millionen Kubikmeter), die anfangs aus dem Boden geholt wurden, bis zum Sommer auf eine Milliarde und bis spätestens Ende 2019 auf 2,7 Milliarden Kubikfuß (76,4 Millionen Kubikmeter) pro Tag gesteigert werden.

"Fund ein Glücksfall"

"Der Fund ist ein Glücksfall für uns", sagte Tarek Radwan, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im ägyptischen Abgeordnetenhaus. Zwei Erdgasverflüssigungsanlagen stünden bereit, weil zumindest Teile des Fundes in LNG (verflüssigtes Erdgas) umgewandelt und per Schiff zu potenziellen Abnehmern gebracht werden sollen.

Der Löwenanteil des Gases sei für Europa bestimmt, sagte Radwan. Noch ist aber unklar, über welche Route das Gas letztlich kommen soll. Im Raum steht die Errichtung einer Pipeline, die im Süden Italiens anlanden soll, deren genauer Verlauf wegen verschiedener Unwägbarkeiten aber noch genauso unklar ist, wie es die möglichen Kosten sind.

Für Aufsehen und Kritik im Land hat zuletzt ein milliardenschwerer Gasdeal gesorgt. Eine Tochter der israelischen Delek Group will in einem Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 64 Milliarden Kubikmeter Erdgas an das ägyptische Unternehmen Dolphinus liefern. Das Gas soll in den noch unausgelasteten zwei ägyptischen Verflüssigungsanlagen in LNG umgewandelt und verschifft werden. "Besser, die Anlagen arbeiten, als dass sie rosten", sagte Radwan.

Erdgas könnte Ägyptens Staatshaushalt stabilisieren helfen und Mittel freimachen für dringend benötigte Investitionen. Mit gut 100 Millionen Einwohnern ist Ägypten nach Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Jedes Jahr werden an die zwei Millionen Kinder geboren – in einem Land, das zu 95 Prozent aus Wüste besteht und nur links und rechts des Nils fruchtbaren Boden aufweist. Ein Großteil des Weizens muss importiert werden.

Große Bedeutung für Ägyptens Wirtschaft hat seit jeher der Tourismus. Der Sektor steht direkt und indirekt für etwa zwölf Prozent des ägyptischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zumindest ein Teil der Gaseinnahmen soll nun für die stärkere Diversifizierung des Sektors und für neue Projekte verwendet werden.

"Mehr als Pyramiden"

Darüber hinaus wirbt Tourismusministerin Rania al-Mashat um Investoren und zusätzliche Gäste aus Europa und anderen Teilen der Welt. "Ägypten hat so viel mehr zu bieten als Pyramiden, archäologische Museen oder das Tal der Könige in Luxor", sagte Mashat, die zuvor unter anderem für den Internationalen Währungsfonds in Washington tätig war. Man wolle verstärkt in die Ausbildung, auch und gerade im Tourismussektor investieren und neben den bekannten Badeorten Sharm El Sheikh und Hurghada am Roten Meer auch die Mittelmeerküste entwickeln.

Bei El Alamein, wo im Zweiten Weltkrieg eine blutige Schlacht stattfand, soll ein neuer touristischer Hotspot mit Hotels, Restaurants und Vergnügungsmeilen entstehen, ergänzt um diverse Universitäten und Dienstleistungsbetriebe. Vor der Revolution besuchten noch fast 15 Millionen Touristen das Land, viele auch aus Österreich, die meisten aus Deutschland. Mit der Revolution 2011 ging es rasant bergab.

Jeder Anschlag bedeutete einen neuen Rückschlag für Ägyptens Tourismus. Seit 2016 geht es wieder bergauf. 2017 gab es ein Plus bei den Ankünften von fast 58 Prozent auf 8,4 Millionen. Tourismusministerin al-Mahat spekuliert bereits wieder mit neuen, diesmal aber nachhaltigen Rekorden. (Günther Strobl, 20.3.2018)