Kompostwürmer werden rund drei Jahre alt. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie mit dem Genuss von Kompost.

Foto: Alfred Grand

Wer den größten Arbeitgeber Österreichs sucht, muss weder nach Wien, noch in die Jahresberichte von Großkonzernen blicken. Zu finden ist er in Absdorf, einer kleinen Marktgemeinde in der Nähe von Tulln. Dort beschäftigt das Unternehmen Vermigrand mehr als fünf Millionen Arbeiter. Ihr Job: Essen und Defäkieren.

Die Rede ist von Regenwürmern, deren Ausscheidungen von dem niederösterreichischen Betrieb zu Humus und Dünger verarbeitet werden. "Das Ganze ist aus einer Landwirtschaft entstanden", erzählt Gründer Alfred Grand. Der gelernte Winzer hat vor zwanzig Jahren begonnen, sich mit der Kompostierung auseinanderzusetzen, um Rohstoffe aus der eigenen Landwirtschaft weiter zu verwerten.

Regenwurmkompostierung

Damals ist Grand auf die Regenwurmkompostierung gestoßen, die in den USA bereits im gewerblichen Rahmen praktiziert wurde, um Würmer für die Sportfischerei zu züchten. "Wir haben den Prozess nicht erfunden", sagt Grand. "Ganz im Gegenteil, er hat sich im Laufe der Evolution entwickelt." Er selbst hätte lediglich ein Geschäftsmodell rundherum gebaut. Der Unternehmer hat tatsächlich einige bekannte Vordenker, zu ihnen zählt unter anderem Charles Darwin. Der britische Forscher hat Regenwürmern ein ganzes Buch gewidmet, er bezeichnete sie als wichtigsten Helfer der Bauern.

Für die Produktion des natürlichen Düngers werden Luzerne – eine Kleeart -, Hanf und andere Pflanzen bis zu acht Wochen kompostiert. Durch die Hitze, die bei der Verrottung entsteht, sterben Unkrautsamen und andere unerwünschte Inhalte ab. Der fertige Kompost wird dann den Würmern verfüttert, die in großen Becken in einem Folientunnel leben.

Hauseigenes Rezept

"Wir haben ein Rezept gefunden, das den Würmern besonders gut schmeckt", sagt Grand und hebt fast zärtlich eine Handvoll Würmer aus dem Becken. Je nach Saison und Alter des Komposts mischt der Landwirt Getreideschrot und Grünschnitt unter die Nahrung, "damit sie was zum Knabbern haben".

In Österreich gibt es rund 65 verschiedene Regenwurmsorten. Bei Vermigrand "arbeiten" sogenannte Kompostwürmer, die etwas kleiner sind als ihre meisten Artgenossen. Sie bleiben an der Erdoberfläche, wo sich auch die Nahrung befindet. Die Ausscheidungen der Tiere sinken hingegen ab und werden durch ein Netz auf der Unterseite der Becken von den Tieren getrennt.

Ernte alle zwei Tage

Der Kot, der haptisch wie auch olfaktorisch an Walderde erinnert, wird alle zwei Tage "geerntet", sagt Grand. Diesen verkauft das Unternehmen pur als Dünger weiter oder mischt ihn mit anderen Bestandteilen zu Blumenerde. Die Abnehmer sind größtenteils städtische Balkongärtner, aber auch einige landwirtschaftliche Betriebe.

"Im Jahresdurchschnitt verdoppelt sich die Population alle zwei bis drei Monate", sagt Grand. Dabei fressen die Würmer täglich Kompost im Umfang ihres halben bis ganzen Körpergewichts.

Humusboxen

Auch deshalb verkauft der Betrieb mit Regenwürmern befüllte "Humusboxen". Die Kisten, die in Hochbeete eingegraben werden, funktionieren wie eine Art Mini-Ökosystem. Kunden können Bioabfälle aus der Küche in die Box leeren, die anschließend von den Würmern zersetzt werden. Gemüsepflanzen holen sich dann durch Löcher in den Schachteln die Nährstoffe aus den Ausscheidungen. "Aus dem Abfall entsteht also wieder ein hochwertiges Produkt", sagt Grand.

Mittlerweile sind Hochbeete, die mit solchen Humusboxen ausgestattet sind, an einigen Wiener Schulen zu finden. Sie sollen Kindern den natürlichen Bodenkreislauf näherbringen.

Das 2010 gegründete Unternehmen hat ursprünglich mit einer Population von rund 400.000 Würmern die Produktion aufgenommen. Damals wurde die Idee von vielen belächelt, erinnert sich der Geschäftsführer. Mittlerweile kooperiert Vermigrand mit einigen Forschungseinrichtungen und macht einen Umsatz von einer halben Million Euro pro Jahr.

Konflikte mit Veganern

Die Würmer selbst kommen bei der Produktion nicht zu Schaden, erzählt Grands Geschäftspartner Leopold Fischer. Dennoch kommt es immer wieder zu Gesprächen mit der veganen Gesellschaft – diese würde die "Massentierhaltung" nicht begrüßen. "Wenn wir den Würmern nicht die optimalen Bedingungen schaffen, dann sind sie weg", sagt Fischer. "Wir können sie nicht halten."

Um das zu verhindern, versuchen die Unternehmer die Würmer durch Essen und konstante Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen bei sich zu halten. "Sie haben hier optimale Arbeitsbedingungen, freie Kost und Logis", scherzt der Unternehmer. "Es ist eigentlich freudvolles Essen." (Nora Laufer, 20.3.2018)