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76 Prozent: So viel hatte nicht einmal der Chef des Umfrageinstituts WZIOM, Waleri Fjodorow (vorne), für Wladimir Putin auf dem Schirm.

Foto: Reuters / Sergei Karpukhin

"Danke euch für das Resultat!" Freudestrahlend präsentierte sich Russlands Präsident Wladimir Putin am Wahlabend auf einer großen Konzertbühne an der Kreml-Mauer vor seinen Anhängern. Die Bühne war bereits vor dem Wahltag aufgebaut worden, am Sieg Putins hatte niemand gezweifelt, das Ausmaß überraschte allerdings selbst die Kreml-nahen Demoskopen: Nach Angaben der Wahlkommission erzielte Putin 76,68 Prozent der Stimmen. Höher waren die Ergebnisse für die Moskauer Führung nur zu Sowjetzeiten.

Die Wahlbeteiligung, die in der Nacht noch mit knapp 64 Prozent angegeben worden war, stieg bis zum Morgen auf 67,47 Prozent – zwei Prozent mehr als noch vor sechs Jahren. Die Mobilisierung der Putin-Wähler ist dem Kreml also vollends geglückt. Wahlleiterin Ella Pamfilowa machte für das Ergebnis nicht nur die "beispiellose Informationskampagne" ihrer eigenen Behörde verantwortlich, sondern dankte ironisch auch "einigen politischen Führern" aus dem Westen für den auf Russland ausgeübten Druck, der den Russen dabei geholfen habe, "sich gegen die äußere Bedrohung zusammenzuschließen".

Vorwürfe aus London an Moskau

Tatsächlich haben die Spannungen nach dem Giftanschlag auf einen russischen Ex-Agenten in Großbritannien und die anschließenden Vorwürfe aus London an Moskau in der vergangenen Woche innenpolitische Fragen überschattet. Soziologen wie der Experte des Carnegie-Zentrums Andrej Kolesnikow verwiesen darauf, dass dies der Mobilisierung der Putin-Wähler dienen könne. Viele Bürger überzeugte Putin allerdings auch mit seinem Leitspruch von Stabilität. Als dessen Garant hatte sich Putin in den letzten Jahren immer wieder bildmächtig inszeniert, eine Stärkung der Opposition mit Chaos gleichgesetzt. Die Russen, von den Erfahrungen aus den 1990er Jahren abgeschreckt, verzichteten auf Experimente.

Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) sehen aber noch andere Gründe für den haushohen Sieg Putins. Es sei eine Wahl ohne Auswahl gewesen, kritisierte die Beobachtermission. Kritische Stimmen seien unterdrückt, Wähler zur Stimmabgabe gedrängt worden, heißt es im Statement der OSZE.

Wirtschaft und Rüstung

Wahlgewinner Putin formulierte unterdessen sein Programm für die nächsten sechs Jahre. Der Kreml-Chef erklärte am Tag nach der Wahl die Wirtschaft zu seinem Hauptbetätigungsfeld. "Wir werden uns vor allem mit der inneren Agenda beschäftigen, der Gewährleistung des Wirtschaftswachstums und ihr einen innovativen Charakter geben", versprach er.

Ziel sei die Weiterentwicklung von Gesundheitswesen, Bildung, Infrastruktur und Industrieproduktion. Das alles diene dazu, sich "vorwärtszuentwickeln und den Lebensstandard unserer Bürger zu heben", sagte Putin. Die Wirtschaft galt bislang nicht als Steckenpferd Putins. Lange Zeit profitierte Russland von den hohen Ölpreisen. Als diese fielen, stürzte auch die Wirtschaft ab. Zuletzt erholte sich das BIP zwar leicht, die seit langem angekündigte Diversifizierung der Wirtschaft ist aber nicht vollzogen und bleibt eine der wichtigsten Aufgaben für Putins nächsten Sechsjahresplan.

Sicherheit und Westen

Zweifellos Priorität hat für Putin daneben auch das Thema Sicherheit. Die Beziehungen zum Westen bleiben gespannt. Die EU-Außenminister haben am Montag im Streit zwischen Großbritannien und Russland ihre "uneingeschränkte Solidarität" mit London erklärt. Die EU nehme die Einschätzung der Briten zu dem Anschlag "extrem ernst", heißt es in einer Stellungnahme. Putin wiederum nannte alle Vorwürfe "Nonsens". Sie dienten dazu, Russland unter Druck zu setzen.

Fragen der Selbstverteidigung und Sicherheit blieben daher für Russland neben der Wirtschaftsentwicklung akut, sagte der Kreml-Chef. Konträr dazu schloss er aber eine künftige leichte Kürzung des Verteidigungsetats nicht aus. "Wir haben alles", in einen Rüstungswettlauf müsse sich Russland daher nicht ziehen lassen, sagte er. Ob er sein neues Programm mit der alten Regierung durchziehen wird, ist zweifelhaft. Schon in der Nacht stellte er einen möglichen Regierungswechsel in Aussicht.

Inauguration im Mai

Über Veränderungen im Kabinett werde er aber erst nach seiner Inauguration im Mai nachdenken, sagte Putin. Föderationsratschefin Valentina Matwijenko verkündete unterdessen am Montag "ernsthafte Veränderungen" im Regierungsapparat. Der Reformbedarf sei groß, fügte sie hinzu.

Das kann durchaus schon als Angriff auf Premier Dmitri Medwedew gewertet werden, über dessen Abgang seit geraumer Zeit spekuliert wird. Medwedew selbst gratulierte Putin zwar zum "überzeugenden Sieg" und wies die Regierung bereits an, die Vorgaben des Putin‘schen Wahlprogramms umzusetzen. Die potenziellen Nachfolger stehen allerdings schon bereit. Als einer der Kandidaten für den Posten wird Ex-Finanzminister Alexej Kudrin gehandelt. Daneben auch Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin.

Aber auch etliche "Silowiki" sind im Gespräch. Die Besetzung des Postens dürfte Aufschluss darüber geben, welchen Kurs Putin in den nächsten Jahren tatsächlich fährt. (André Ballin aus Moskau, 20.3.2018)