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Juan Martin del Potro küsst im Konfettiregen den Pokal. Es war der 22. Titel für den 1,98 Meter großen Argentinier.

Foto: APA / Getty Images / Joe Scamici

Indian Wells – Den größten Titel seines zweiten Tennislebens widmete Juan Martin del Potro einem langjährigen Weggefährten, der vor wenigen Wochen von ihm gegangen war. Seite an Seite mit Cesar, dem treuen Neufundländer mit dem dichten schwarzen Fell, hatte del Potro düstere Tage überstanden. Nach Cesars Tod besaß der sanfte Riese die Kraft, die letzten Meter auf seinem Weg zur sportlichen Wiederauferstehung allein zurückzulegen. "Jeder weiß, dass ich kurz davor stand, mit dem Tennis aufzuhören", sagte del Potro nach dem denkwürdigen Triumph beim Masters-1000-Turnier in Indian Wells.

Mit 6:4, 6:7 (8), 7:6 (2) hatte der Argentinier im bislang besten Match der Saison, es hat 2:42 Stunden gedauert, dem Schweizer Maestro Roger Federer dessen erste Niederlage des Jahres zugefügt und damit in der kalifornischen Wüste ein Comeback gekrönt, mit dem er selbst nicht mehr gerechnet hatte. "Unvorstellbar" sei dieser Moment in seiner Leidenszeit gewesen, als vier Operationen an beiden Handgelenken nicht nur die Fortsetzung seiner Karriere infrage stellten. "Vor ein paar Jahren hatte ich schlechte Phasen, an die ich nicht mehr denken möchte", sagte del Potro. Jetzt genieße er sein Leben wieder, die Reisen um die Welt, die Duelle auf der Profitour. Im Alter von 29 Jahren hat das einstige Supertalent zurück zu alter Klasse gefunden.

Schon einmal lag del Potro die Tenniswelt zu Füßen. Nach seinem Erfolg bei den US Open im Jahr 2009 trauten ihm die Experten zu, langfristig die Dominanz der Big Four, gemeint sind Federer, Nadal, Murray und Djokovic, zu sprengen. Doch Verletzungen raubten dem "Turm von Tandil" die Lebenslust und ließen ihn bis auf Platz 1045 der Weltrangliste abrutschen. Seit Montag wird del Potro wieder auf Rang sechs geführt. Tendenz steigend. Er hat Dominic Thiem auf Platz sieben verdrängt.

Thiems Knöchel

Thiem ist momentan zur Untätigkeit gezwungen, er kuriert das Knochenmarksödem im rechten Knöchel aus. Laut Trainer Günter Bresnik verläuft der Heilungsprozess "sehr gut". Das Comeback ist in Monte Carlo vorgesehen, der Sandplatzklassiker beginnt am 15. April. Der Daviscup in Moskau gegen Russland (ab 6. April) ist für Thiem gestrichen. Bresnik ist mit dem generellen Zustand seines Schützlings zufrieden. "Die Auftritte sind meist schwer in Ordnung, er akzeptiert Niederlagen und lernt daraus. Natürlich ist die Verletzung nicht optimal, aber sie war nicht nur Zufall."

Federers nicht zufällige Hoffnungen auf den 18. Matchsieg in dieser Saison und die Titelverteidigung in Indian Wells zerstörte "Delpo" nicht nur mit seiner brachialen Vorhand, die schon immer Härte und Präzision miteinander vereint hat. Auch die beidhändige Rückhand, nach der Verletzungsmisere quasi die größte Schwachstelle im Spiel des Olympiazweiten von Rio, funktionierte tadellos. Zudem behielt del Potro in den entscheidenden Momenten die Nerven, er wehrte zwei Matchbälle ab.

Anders Federer: Dem 36-Jährigen flatterte der Arm. Beim Stand von 5:4 im dritten Durchgang schlug er zum Gewinn auf. Eigentlich eine leichte Übung für den 20-maligen Grand-Slam-Champion, den jedoch plötzlich der Aufschlag verließ. "Ich weiß zum Teufel nicht, was da passiert ist", sagte Federer, der sich aus Frust ein Scharmützel mit dem Schiedsrichter lieferte. "Es tut weh. Die Frage ist nur, wie lange", sagte Federer. Zur Schmerzlinderung drängt sich das Masters-Turnier in Miami auf.

Bresnik hat die Partie gesehen, fast 50 leichte Fehler von Federer haben ihn dann doch überrascht. "Das soll die Leistung von del Potro nicht schmälern, aber Federer hat die Partie verloren." Der Argentinier sei einer der ganz Großen. "Die beste Vorhand, eine Augenweide. Er agiert sehr klug, hat Erfahrung und ist charakterlich schwer in Ordnung." Del Potros Klugheit bekam auch Thiem schon mehrmals zu spüren.

"Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich freue mich darauf", sagte del Potro. "Ich überrasche mich noch immer selbst, und ich möchte auch die Tennistour weiter überraschen." Die Kraft dazu besitzt del Potro wieder. Dank Cesar, seinem treuen Gefährten aus längst vergangenen Tagen. "Irgendwann will ich wieder einen Hund." (sid, hac, 19.3. 2018)