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Facebook-CEO Mark Zuckerberg ist ein gefragter Mann – gleich mehrere politische Institutionen wollen ihn vorladen.

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Cambridge-Analytica-Chef Alexander Nix ist in Erklärungsnot.

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Die Affäre rund um die Datenfirma Cambridge Analytica weitet sich aus: Der CEO der umstrittenen Firma, Alexander Nix, wurde am Dienstagabend vom Aufsichtsrat für die Dauer der Untersuchung suspendiert. Nix werde mit sofortiger Wirkung während einer "vollumfänglichen, unabhängigen Ermittlung" von seinen Aufgaben entbunden, teilte das Unternehmen am Dienstagabend mit.

In den vergangenen Tagen wurde aufgedeckt, dass das Unternehmen auf äußerst zweifelhafte Weise an jene 50 Millionen Facebook-User-Daten gekommen ist, mit denen man angeblich Donald Trump zum Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 verholfen hat. Zusätzlich sorgte ein Video von Channel 4 für Aufregung. Undercover haben die Reporter des britischen Senders führende Manager des Unternehmens – darunter Nix – dabei gefilmt, wie sie offen darüber plaudern, dass das Repertoire der Firma an schmutzigen Tricks bei weitem nicht bei Datenmissbrauch endet.

Bestechung, Videos mit Prostituierten

In dem Clip prahlt Firmenchef Nix damit, dass es neben der gezielten Werbung auch direktere Methoden gebe, Einfluss auf Politiker und somit Wahlen zu nehmen. So wäre es eine Möglichkeit, diese bei der Annahme von Bestechungsgeld zu filmen, und dann das dabei entstandene Video im Internet zu veröffentlichen. Auch der Einsatz von Prostituierten mit nachfolgender Erpressung kam zur Sprache. "Wir könnten einfach ein paar Mädchen beim Kandidaten vorbeischicken", ist Nix in dem Clip zu hören. Und weiter: "Ukrainische Mädchen sind sehr hübsch, das funktioniert sehr gut."

Channel 4 News

Die Reporter hatten sich als Mitglieder einer reichen Familie aus Sri Lanka ausgegeben, die Einfluss auf die Politik in ihrem Land nehmen wolle. Auf diese Weise schafften sie es, dass Cambridge Analytica ziemlich offen über die sonst streng geheim gehaltenen Geschäftspraktiken spricht. So prahlt das Unternehmen etwa damit, dass man mithilfe der eigenen Datenanalysen in den letzten Jahren gezielten Einfluss auf zahlreiche Wahlen genommen habe. Konkret spricht Nix von mehr als 200 Wahlen über alle Kontinente verteilt – von Indien über Tschechien bis nach Argentinien und Nigeria.

Besonders stolz ist man offenbar auf den Einsatz in Kenia, wo man für die Wiederwahl von Präsident Uhuru Kenyatta gesorgt habe. Cambridge Analytica habe dort die gesamte Wahlkampagne geleitet, behauptet Nix. Diese war unter anderem von gezielter Desinformation gegen politische Gegner gekennzeichnet.

Geheimhaltung

Dass dieser Umstand bisher nicht öffentlich war, liegt daran, dass die Firma mittlerweile einigen Wert darauf legt, die eigenen Aktivitäten geheim zu halten. So beschreibt denn auch Firmenchef Nix in dem Video ein System aus Tarnfirmen, über das Cambridge Analytica im Geheimen operieren kann. Eine Möglichkeit sei es etwa, als Student mit falschem Reisepass einzureisen und so zu tun, als arbeite man an einem Universitätsprojekt. Dazu passende Webseiten könne man zur Tarnung ebenfalls leicht einrichten. Oder aber man reise gleich als Tourist ein: "Es gibt so viele Optionen. Ich habe viel Erfahrung damit", brüstet sich Nix.

Reaktion

In einer Stellungnahme gegenüber Channel 4 versucht Cambridge Analytica die Situation im Nachhinein anders darzustellen. Man habe sich gezielt auf die Fragen des vermeintlichen Klienten eingelassen, um herauszufinden, ob dieser unethische oder gar illegale Absichten verfolge – damit man solche Interessenten ausfiltern könne. Insofern seien die Fragen von Nix alle hypothetischer Natur gewesen. Das Unternehmen habe sich nicht auf solche Methoden eingelassen und werde das auch in Zukunft nicht tun. Im Vorfeld soll die Firma versucht haben, die Ausstrahlung des Videomaterials zu verhindern.

Desinformationskampagne

Das Video bietet aber noch einige andere für die Firma ziemlich unangenehme Momente: Bei einem anderen Treffen ist Managing Director Mark Turnbull zu sehen, wie er Desinformationskampagnen des eigenen Unternehmens beschreibt: "Wir fügen einfach Informationen in den Blutkreislauf des Internets ein, schauen zu, wie die Sache langsam wächst, und geben dem Ganzen ab und zu einen kleinen Anstoß in die richtige Richtung – wie eine Fernbedienung."

Wichtig sei es dabei, das möglichst dezent zu machen, denn "in dem Moment, wo man sich denkt: 'Das ist Propaganda', folgt die Frage: 'Wer hat das veröffentlicht?'" Und das wolle man natürlich vermeiden.

Facebook wegen Datenmissbrauch-Skandals unter massivem Druck

Nach den Enthüllungen über den gigantischen Datenmissbrauch für den US-Wahlkampf gerät der Internetkonzern Facebook unter wachsenden politischen Druck. Parlamentarier in den USA wie auch Großbritannien wollen Konzernchef Mark Zuckerberg zu Anhörungen vorladen.

Auch die EU kündigte Untersuchungen an. Die Kommission verurteilte den Datenmissbrauch scharf. Das EU-Parlament möchte direkt Fragen an den Facebook-Chef stellen. Präsident Antinio Tajani schrieb auf Twitter, dass Zuckerberg vor den Repräsentanten der 500 Millionen EU-Bürger klären müsse, dass persönliche Daten nicht "zur Manipulation der Demokratie missbraucht" würden.

Investoren reichen Klage gegen Facebook ein

US-Investoren haben am Dienstag eine erste Klage gegen den Internetkonzern eingereicht. Die Aktionäre machten bei einem Bundesgericht in San Francisco geltend, dass die Konzernführung sie über die Fähigkeiten in die Irre geführt habe, die Daten der Nutzer zu schützen.

Der "Los Angeles Times" zufolge wird Facebook zudem vorgeworfen, die eigenen Datenschutzvorschriften verletzt zu haben. Die Aktien des sozialen Netzwerks waren zuletzt an den Börsen eingebrochen.

Zuckerberg schweigt

Das Unternehmen hat auf den Datenskandal mit Bedauern reagiert. Firmenchef Mark Zuckerberg und alle Verantwortlichen seien sich des Ernsts der Lage bewusst, heißt es in einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung von Facebook. "Das gesamte Unternehmen ist entsetzt darüber, dass wir hintergangen wurden", heißt es weiter. Facebook werde alles tun, um seine Richtlinien durchzusetzen und die Informationen der Nutzer zu schützen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg selbst hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Erst am Freitag soll er sich den Fragen seiner Mitarbeiter stellen.

Scharfe Kritik aus allen Lagern

Die deutsche Justizministerin Katarina Barley reihte sich in die breite Front der Kritiker ein. "Facebook muss erklären, wie es die Privatsphäre seiner Nutzerinnen und Nutzer künftig besser schützt", forderte sie gegenüber der "Passauer Neuen Presse". Auch die deutschlandweit für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbehörde hat sich in die Affäre eingeschaltet. "Ja, wir werden uns in dieser Frage an Facebook wenden", kündigte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar an. Bei rund 30 Millionen Facebook-Nutzern in Deutschland könnten auch hierzulande mit hoher Wahrscheinlichkeit einige von der Affäre betroffen sein oder es künftig werden.

Auch Whistleblower und Datenschützer haben sich bereits kritisch zur Causa geäußert. NSA-Aufdecker Edward Snowden etwa sieht Facebook nicht als Opfer der Praktiken von Cambridge Analytica, "sondern als Komplizen". Der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems wirft dem Netzwerk Heuchelei vor, denn schon 2011 habe "Europe vs. Facebook" jenen Mechanismus angeprangert, der letztlich dazu führte, dass 270.000 Downloads einer App zur Erfassung von Daten aus 50 Millionen Nutzerprofilen führten.

Parlamentarier in den USA wie auch Großbritannien wollen Konzernchef Mark Zuckerberg zu Anhörungen vorladen.
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US-Senatoren wollen Chefs der IT-Riesen vorladen

Der republikanische US-Senator John Kennedy und seine Kollegin Amy Klobuchar von den oppositionellen Demokraten verlangten, dass Zuckerberg ebenso wie die Chefs von Google und Twitter in der Kongresskammer aussagen solle. Die Internetriesen verfügten über "beispiellose Mengen an persönlichen Daten", zugleich gebe es einen Mangel an Aufsicht über ihren Umgang damit, erklärten sie. Dies wecke Besorgnisse hinsichtlich eines ungestörten Ablaufs von Wahlen und des Datenschutzes.

Der Vorsitzende des britischen Unterhausausschusses für Digitales und Medien, Damian Collins, teilte seinerseits mit, dass er Zuckerberg in einem Schreiben aufgefordert habe, vor dem Gremium zu erscheinen. Er solle dort Stellung zu dem "katastrophalen Vorgang des Versagens" seiner Firma beziehen. Ebenfalls Ermittlungen aufgrund des Datenmissbrauchs eingeleitet hat die Verbraucherschutzbehörde FTC. Die Aktie von Facebook stürzte im Tagesverlauf um mehr als sechs Prozent ab.

Facebook hatte zuvor mitgeteilt, externe Spezialisten mit einer Untersuchung der Affäre beauftragt zu haben. Das Konto von Cambridge Analytica sei inzwischen geschlossen worden. Noch am Dienstag (US-Zeit) und Mittwoch wollen sich laut dem Tech-Blog Engadget Vertreter von Facebook sich mit Mitgliedern verschiedener Ausschüsse in Senat und Kongress treffen. (apo, gpi, APA, Reuters, 20.3.2018)