Das neue Antriebskonzept könnte die Missionsdauer von erdnahen Satelliten deutlich verlängern.
Foto: ESA/Sitael

Mola di Bari – Die Europäische Raumfahrtagentur Esa hat dieser Tage ein neuartiges Antriebskonzept für Satelliten getestet, das sich auf lange Sicht auch für interplanetare Sonden eignen würde: Grundlage des Air-breathing Ion Thruster sind die Luftmoleküle der oberen Atmosphäre.

Laut dem von der Esa veröffentlichten Bericht soll der erste derartige elektrische Schubantrieb die Luftmoleküle aus der hohen Atmosphärenschicht aufnehmen und gleichsam als Treibstoff nutzen. Dadurch ergeben sich nach Angaben der Esa-Forscher um Louis Walpot im niedrigen Erdorbit bisher unerreichte Missionsdauern.

Der Prototyp des Air-breathing Ion Thruster wurde in Italien erfolgreich getestet.
Foto: ESA/Sitael

Als Beispiel führen die Wissenschafter den Gravity field and steady-state ocean circulation explorer (GOCE) an. Der Esa-Satellit war 2009 gestartet worden und untersuchte in 250 Kilometern Höhe vier Jahre lang das Gravitationsfeld der Erde. Der elektrische Antrieb von GOCE basierte auf Xenon; als die rund 40 Kilogramm des mitgeführten Edelgases aufgebraucht waren, musste die Mission beendet werden und der Satellit verglühte am 11. November 2013 in der Erdatmosphäre.

Luftmoleküle statt Xenon

Die nun vorgestellte Antriebsvariante sollte statt des Xenons atmosphärische Moleküle nutzen. Dieser in einem niedrigen Erdorbit grenzenlos verfügbare Treibstoff würde es manchen Satelliten ermöglichen, bedeutend länger zu operieren, schreiben die Esa-Forscher. Ein solches "atmendes" Schubsystem wäre auch in der Lage, auf die oberen Schichten der Gashüllen anderer Himmelskörper im Sonnensystem zurückzugreifen, beispielsweise das Kohlendioxid des Mars.

Das Funktionsprinzip des "atmenden" elektrischen Antriebs: Luft aus der oberen Atmosphärenschicht wird eingesammelt, zu einem ionisierten Plasma verdichtet. Dies ermöglicht eine elektrische Aufladung, wodurch es beschleunigt und als Treibmittel wieder ausgestoßen werden kann.
Illustr.: ESA–A. Di Giacomo

Test in der Vakuumkammer

Nun gelang den Ingenieuren um Walpot ein erster erfolgreicher Praxistest. Dafür setzte das in Mola di Bari, Italien, ansässige Unternehmen Sitael einen Prototypen dieses Antriebs in eine Vakuumkammer und simulierte die atmosphärischen Bedingungen in 200 Kilometern Höhe. "Das System ist äußerst einfach aufgebaut: Es gibt keine Ventile oder komplizierten Teile, alles basiert auf einem passiven Prinzip", erklärt Walpot. "Die Luftmoleküle werden eingesammelt und verdichtet. Dabei erhalten sie eine elektrische Ladung, damit sie beschleunigt und wieder ausgestoßen werden können. Das ergibt den nötigen Schub."

Nachdem die Funktionsfähigkeit dieses Prinzips nun erfolgreich nachgewiesen werden konnte, sind die Esa-Wissenschafter davon überzeugt, dass der Air-breathing Ion Thruster in Zukunft die Grundlage einer gänzlich neuen Klasse von Missionen sein wird. (tberg, 20.3.2018)