Man kann ihn an die Wand malen und er steckt im Detail: Der Teufel. Ohne ihn würden die Geschichte des Christentums und die europäische Kulturgeschichte anders aussehen und wer weiß, ob es die christlichen Kirchen ohne ihn überhaupt so lange gegeben hätte. Der Teufel ist – wohl nicht nur – für Religionswissenschafler eine faszinierende Gestalt, der diesen Blogbeitrag zu widmen allemal lohnt.

Der Teufel stammt aus dem Himmel

Woher kommt der Teufel? Aus dem Himmel. In den Schriften des Alten Testaments begegnet man Satan als Mitglied des himmlischen Hofstaates, den JHWH (Jahwe), einem altorientalischen Herrscher gemäß, hat. Die Mitglieder dieses Hofstaates, auch als Engel bekannt, haben unterschiedliche Aufgaben und jene Satans macht ihn bei den Menschen nicht unbedingt beliebt: Er ist das, was man salopp als Staatsanwalt bezeichnen könnte. Er durchstreift die Welt und klagt jene Menschen, die sich eines Vergehens gegen den himmlischen Herrscher schuldig machen, an. In dieser Funktion begegnet er zum Beispiel im Buch Sacharja 3,1-2: "Der Satan aber stand zu seiner Rechten, um ihn anzuklagen. Der Engel des Herrn sagte zum Satan: Der Herr weise dich in die Schranken, Satan; ja, der Herr, der Jerusalem auserwählt hat, weise dich in die Schranken."

Wie wurde aus dem himmlischen Satan der höllische Teufel?
Foto: Ap/Esteban Felix/dapd

Weit bekannter ist Satans Auftreten im Buch Hiob. Hier ist er schon mehr Agent Provocateur denn Staatsanwalt, führt er den gottesfürchtigen Hiob doch so lange in Versuchung, bis dieser zumindest reichlich trübselig wird. Dass eine derartige Gestalt aus menschlicher Perspektive kein Sympathieträger war, sondern geradezu für die Rolle des Bad Guy prädestiniert, liegt auf der Hand. Allerdings – und hier gehen Religionsgeschichte und populäre Halbbildung auseinander – in den Schriften des Alten Testaments ist Satan noch kein Gegenspieler Gottes und auch nicht "der Böse" schlechthin – und schon gar nicht ist er die Schlange, die sich in Kapitel drei des Buches Genesis vom Baum ringelt. Diese Gleichsetzung erfolgt erst später. Der Satan des Alten Testaments hat auch noch keine verwandtschaftliche oder sonstige Beziehung zu den Dämonen, die man kennt, wie etwa Azazel (Levitikus 16,5-10) oder Aschmodai (Tobit 3,8). Er ist ein Engel, der einen für den Menschen problematischen Aspekt Gottes verkörpert, eben jenen des "Überwachen und Strafen", wie es Michel Foucault später nennen wird und worauf wir im Mittelalter noch zurückkommen werden.

Vom unsympathischen Engel zum Oberbösewicht

Im Neuen Testament ist Satan dann schon eindeutig der "Böse", als den man ihn fortan kennt und fürchtet (oder liebt): Er führt Jesus in Versuchung (Lukas 4), Jesus sagt, er sah "den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen" (Lukas 10,18), er ist Vater der Lüge (Johannes 8,44) und geschickt im Tarnen und Täuschen, verkleidet er sich doch als Engel des Lichts (2 Korinther 11,14) und führt so die ersten Christen in die Irre und Häresie.

Was aufmerksame Leser und Leserinnen zur Frage bringt, wann denn zwischen Altem und Neuen Testament aus dem unsympathischen Engel der Oberbösewicht geworden sei? Die Antwort liegt in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten, als ein personifiziertes Böses offensichtlich immer notwendiger wird, und in jener Tradition, die als parabiblisch (also rund um die Bibel) und apokryph (verborgen) bezeichnet wird. Hier nimmt die heute so bekannte Erzählung vom Engel Satan und seiner Rebellion  gegen Gott, vom Kampf der Engel untereinander (Rebellen gegen Linientreue) und von der Niederschlagung dieser Rebellion und der Verbannung Satans aus dem Himmel hinab in die Hölle mitsamt jener Engel, die ihn unterstützt hatten, Form an.

Satan war zunächst Teil des himmlischen Stabs. "Satan summons His Legions" von Thomas Stothard.
Foto: Public Domain

Passagen wie Jesaja 14,12 vom Sturz des leuchtenden Morgensterns (eigentlich auf den König von Babylon bezogen) und Ezechiel 28,14, wo vom "glänzenden Cherub" und seiner stolzen Schönheit die Rede ist, konnten nun auf Satan hin interpretiert werden. Die Rede von den Gottessöhnen, die sich mit Menschentöchtern in Genesis 6,1 eingelassen hätten, ließ sich nun, wie im Henochbuch, als weitere Erklärung für den Fall der Engel deuten: Hochmut und sexuelle Gier – das kam dem frühen Christentum gerade recht.

Der Teufel und die Schlange

Überhaupt verdankt sich unser Bild vom Teufel als hochmütigem, gefallenen Engel und Herrscher der Hölle, als Versucher in allen, vor allem aber erotischen, Lebenslagen wesentlich den christlichen Theologen des 3. bis  5. Jahrhunderts. Sie nahmen die soeben beschriebenen biblischen und nicht-biblischen Erzählungen und Vorstellungen auf und formten den Bösen nach ihrem Verständnis von Sünde und Verderben. Hochmut und Machtanspruch gegenüber der höchsten Autorität waren Eigenschaften die, so der Hl. Augustinus, schon Adam und Eva ins Verderben geführt hätten – natürlich unter tatkräftiger Mithilfe des Teufels: "Dann aber wählte jener hochmütige Engel, der sich neidisch in seinem Hochmut von Gott ab und sich selbst zugewandt hatte, ein glitschiges und schuppiges Tier aus, das für seine Absicht passend war und durch das er sprechen konnte; und durch dieses (...) sprach er zur Frau, bei jenem schwächeren Teil des menschlichen Paares nämlich beginnend (…)". (Augustinus, De civitate Dei XIV,11)

Satans über Eva, seine böse Seite als Schlange. "Satan Exulting over Eve" von William Blake (1795).
Foto: Public Domain

Für ihn war – bibelwissenschaftlich mehr als fragwürdig – die Schlange der hochmütige, gefallene Engel aka Satan. Und wer als Einsiedler in der Wüste sitzt, dem setzt sich der Teufel als hübsches Mädchen auf den Schoß: "Er (i.e. der Teufel) nahm die Gestalt eines äthiopischen Mädchens an, (…) setzte sich mir auf den Schoß und erregte mich so, dass ich Unzucht mit ihr zu treiben glaubte. Da kam ich zur Besinnung und gab ihr eine Ohrfeige, worauf sie verschwand." (Palladius, Leben der Hl. Väter 23).

Sex, Hölle und die Verdammten

Dem Problem der frühen Theologen mit der Sexualität verdankt der Teufel in Folge auch seine Hörner, Bocksbeine und den sprichwörtlichen Pferdefuß (der ursprünglich ein Bocksfuß ist): Der Gott Pan, in der griechischen Mythologie ein zwar sexuell hyperaktiver, ansonsten aber eher harmloser Geselle – zumindest aus Sicht der patriarchalen antiken Gesellschaft – und weit von jedem metaphysischen Bösen entfernt, wird für die Christen zur ikonographischen Vorlage des Teufels: Wer ständig triebgesteuert hinter Frauen herjagt, ist genau jenes Übel, das fromme Asketen an die Wand malen.

Der griechischen Antike geschuldet ist schließlich noch der bei uns gebräuchlichste Name: diabolos > diabolus > tiufal > Teufel (sprachgeschichtlich kurz gefasst) meint, anders als Satan, nicht Ankläger, sondern Durcheinanderbringer. Böse ist, wer die gottgewollte Ordnung durcheinanderbringt. Der dritte bekannte Name des Teufels, Luzifer, geht auf seine Gleichsetzung mit dem Morgenstern beziehungsweise Sohn der Morgenröte in Jesaja 14,12 – wo ursprünglich eben nicht Satan gemeint war – zurück, bedeutet Lucifer doch Lichtträger.

Der Pan jagt die keusche Syrinx im Schilf. Peter Paul Rubens "Pan und Syrinx" (1617-1619).
Foto: Public Domain

Auch die Hölle – seit dem unrühmlichen Ende der Rebellion zwangsweises Habitat des Teufels –, konstituiert sich im Lauf der christlichen Spätantike auch als Ort, wohin alle Verdammten kommen. Und das waren, folgt man dem schon erwähnten Augustinus, die überwiegende Zahl der Menschen, die sogenannte massa damnata. Wer Böses tut oder auch nur denkt, geht buchstäblich zum Teufel.

Von hier ist es nur mehr ein kleiner Schritt zu den farbenprächtigen Höllenbildern mittelalterlicher Kirchen und dem Teufel als unverzichtbarem Helfer kirchlicher Pastoralmacht. Doch dazu mehr demnächst in diesem Blog. (Theresia Heimerl, 18.4.2018)

Literaturhinweise

  • Christoph Auffarth (Hg.), The Fall of the Angels. Leiden 2004.
  • Jeffrey Burton Russell, Biographie des Teufels. Das radikal Böse und die Macht des Guten in der Welt, Wien 2000.
  • Gustaf Roskoff, Geschichte des Teufels. Eine kulturhistorische Satanologie von den Anfängen bis in 18. Jahrhundert, Nördlingen 1987.
  • Alfonso Di Nola. Der Teufel. Wesen, Wirkung, Geschichte, München 1997.

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