Wien – Für die Realisierung praktikabler Quantenbits, auf deren Basis Quantencomputer künftig ihr volles Potenzial entfalten können, gibt es verschiedene Ansätze. Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung der Technischen Universität (TU) Wien hat im Fachblatt "Nature Nanotechnology" nun ein neuartiges Konzept für einstellbare Qubits auf Basis zweidimensionaler Materialien vorgestellt.

Seien es frei schwebende Ionen, Fehlstellen in Kristallen oder supraleitende Ringe – die Liste physikalischer Systeme, die als Quantenbits verwendet werden können, ist lang. Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass das System zwei verschiedene Zustände annehmen kann. Sie entsprechen dem "null" und "eins" herkömmlicher Computer, mit dem Unterschied, dass in Quantensystemen auch Überlagerungen erlaubt sind, und das Qubit sozusagen beide Werte gleichzeitig annehmen kann.

Quantenpunkte als Qubits

Auch sogenannte Quantenpunkte erfüllen diese Voraussetzung: Einzelne Elektronen werden in winzige Bereiche eingesperrt, wodurch sie – ähnlich wie in einem Atom – nur bestimmte, voneinander getrennte Energiezustände annehmen können. Eine Möglichkeit zur Realisierung ist die Spitze eines Rastertunnelmikroskops, die knapp über dem Material positioniert ist, in dem sich die Elektronen befinden. Dadurch entsteht im Material eine Potentialmulde, in der die Elektronen eingefangen werden können.

In ihrer aktuellen Studie haben die Wissenschafter diese Methode nun noch um einen wichtigen Aspekt erweitert: Sie haben ein neuartiges Material benutzt, in dem das Ausmaß der Aufspaltung der Energieniveaus nicht überall gleich ist. "Dadurch wird das System flexibel", erklärt Joachim Burgdörfer vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien.

"Für die Erzeugung der Überlagerung ist es besser, wenn die Energien nahe beieinanderliegen. Will man die Informationen dagegen speichern, sollten sie möglichst weit voneinander getrennt sein." Während die Experimente an der Universität Aachen in Zusammenarbeit mit der Universität Manchester durchgeführt wurden, waren Burgdörfer und sein Kollege Florian Libisch an der TU Wien für die theoretische Arbeit und die Computersimulationen verantwortlich.

Kombination aus Graphen und Bornitrid

Für das neue Material haben die Forscher zwei ultradünne Materialschichten kombiniert, die jeweils nur eine einzige Atomlage dick sind und beide eine sechseckig-wabenartige Struktur aufweisen: Graphen und Bornitrid. "Die Sechsecke im Graphen und die Sechsecke im Bornitrid sind allerdings nicht exakt gleich groß", erklärt Florian Libisch. "Wenn man nun eine einzige Schicht Graphen sorgfältig auf Bornitrid legt, dann passen die beiden Schichten nicht perfekt zusammen. Dadurch entsteht eine Überstruktur, die sich verbiegt und extrem regelmäßige Wellen schlägt."

Je nachdem, ob sich die Spitze des Mikroskops nun über einem Berg oder einem Tal dieser Überstruktur befindet, sind die Zustände des entsprechenden Quantenbits weit voneinander entfernt oder liegen eng beisammen. Der Unterschied, der sich auf diese Weise einstellen lässt, beträgt etwa das Fünfzigfache dessen, was bisher möglich war. "Im jetzigen Aufbau muss man allerdings noch die Spitze bewegen, um die Energieniveaus einzustellen", so Burgdörfer. Da bewegliche Teile unpraktisch sind, soll das in Zukunft durch eine Reihe nebeneinander angeordneter Elektroden erfolgen. Auch dafür werden Burgdörfer zufolge Theorie und Simulationen wieder von der TU Wien kommen. (APA, red, 23.3.2018)