Müde stimmen nur die Abenteuer im Kopf: Jürg Laederach.

Foto: Laederach

Basel – Als ihn die Grazer Literaturzeitschrift manuskripte vor nicht allzu langer Zeit mit einer eigenen Ausgabe beschenkte, da erschien Jürg Laederach in einer seiner Lieblingsposen auf dem Cover. Der Basler, als Autor ein begnadeter Wortmusiker vor dem Herren, blies, auf einer Industriebrache stehend, das Saxofon.

Und wirklich gab es keinen anderen Dichter, der so wie Laederach die Grammatik des Modern Jazz beherrschte und dessen musikalische Verfahren in Prosa zu übersetzen verstand. Seine weit ausschwingenden Sätze besaßen Drive. Mit Vorliebe entwickelte Laederach längere Gedankenspiele, oder er komprimierte den Gehalt dickleibiger Romane auf wenige Seiten.

Alles ein Gleichnis

Als mögliches Ideal erschienen ihm die nervösen Bebop-Nummern Charlie Parkers: "Sagenhafte Romane" nannte Laederach dessen Zweieinhalbminüter. Aber Laederach, der Mathematik und Physik studiert hatte und aus dem Französischen (Maurice Blanchot) ebenso virtuos übersetzte wie aus dem Englischen (Stein, Gass, Pynchon), wurde ohnedies alles zum Gleichnis.

Laederachs Bücher erscheinen seit den 1970er-Jahren, und man kann nicht behaupten, sie hätten ein Massenpublikum gefunden. Ein Titel wie 69 Arten den Blues zu spielen ging immerhin in den Wortschatz der Allgemeinheit über. Umfangreiche Arbeiten wie Emanuel glichen Bühnen, auf denen das Denken (und sein Formulieren) in Slapstick-Bewegungen vorgeführt wurde. Kaum jemand wird ein Laederach-Buch unbedenklich "nacherzählen" können. Vom Literaturkreis Oulipo unterschied ihn die Manier, Formzwänge noch vor ihrer Wirksamwerdung mit Leichtigkeit von sich abzuschütteln.

Als Gewinner des Italo-Svevo-Preises 2005 umriss er sein Credo als Dizzy Gillespie der Schweizer Literatur, der beim Versuch, A Night in Tunisia zu intonieren, Kamele durch ein Nadelöhr jagt: "Ich bin kein Reduktionist, außer man, das heißt: die formalen Umstände zwingen mich. Ich erzähle auch keine Geschichten, außer man findet dies; von diesem Finden bin ich abhängig."

Jürg Laederach suchte frühzeitig Anschluss an die Grazer Avantgarde rund um Alfred Kolleritsch und das Forum Stadtpark. Sein sanguinisches Gemüt machte die Härten der Avantgarde erträglich, sein enzyklopädisches Wissen über irgendwelche Hardbopplatten aus den 1950ern war unübertroffen. Jetzt ist Laederach, der Suhrkamp-Autor für Connaisseure, nach langem Leiden 72-jährig in Basel gestorben. (Ronald Pohl, 20.3.2018)