Rindfleisch, Wurzelgemüse und Zwiebel köcheln in mehreren Stunden zu einer köstlichen Brühe.

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Für eine gute Rindssuppe braucht es beste Zutaten. Erdäpfel wie auf dem Bild gehören freilich nicht in eine klassische Suppe.

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Sie spendet Trost, sie wärmt, und sie gibt Kraft. Eine klare, heiße Rindssuppe ist weit mehr als die simple Eröffnung eines Menüs. Sie ist das konzentrierte Ergebnis von Zeit, Energie und Leben. Nur wer jemals selbst das Fleisch in den riesigen Topf, die Zwiebeln angeröstet, das Gemüse geschnitten und den Schaum der wallenden Flüssigkeit abgeschöpft hat, wird dieses durch und durch herrliche Gericht zu schätzen wissen.

Eine Bouillon verlangt dem Zubereitenden zwar keine große Kochkunst ab, Zeit sollte er aber in jedem Fall mitbringen. Zeit, die vielen Küchenchefs mittlerweile offenbar fehlt, weshalb man in der Spitzengastronomie immer öfter auf stundenlang gekochte Rindssuppen verzichtet. Doch so einfach scheint es nicht zu sein: Es sind nicht ausschließlich die fehlenden Zeitressourcen, die man für das Aussterben der Bouillon in der Spitzengastronomie verantwortlich machen darf.

"Der neue Luxus ist das Rare"

Traditionelle und vermeintlich banale Gerichte wie die Rindssuppe haben ein ernstzunehmendes Imageproblem. "Der neue Luxus ist nicht das Gute, sondern das Rare. Für viele Menschen sind fremde Produkte hochwertiger als die eigenen. Ramen oder Pho verkaufen sich besser als österreichische Rindssuppe. Auch Erbsenkaviar aus dem Ausland wird hierzulande mehr geschätzt als frische Erbsen aus regionalem Anbau", sagt Spitzenkoch Max Stiegl. Dabei könnten wir uns ein Beispiel an den Asiaten nehmen, die ihre Suppenkultur seit jeher schätzen und hochhalten. Aber anstatt es ihnen mit ähnlichem Traditionsbewusstsein gleichzutun und die Werbetrommel für unsere Küche zu rühren, geht man scheinbar lieber in Ramen-, Pho- und Udon-Suppenlokale, um sich in den sozialen Netzwerken als Kosmopolit zu präsentieren.

"Früher war die Rindssuppe das günstigste Gericht im Wirtshaus. Und das ist verrückt, wenn man sich überlegt, wie viel Aufwand in ihr steckt. Man hat dafür ein Tier verarbeitet, Gemüse geputzt und die Suppe stundenlang köcheln lassen", sagt Stiegl. In vielen traditionellen Wirtshäusern bekommt man sie aber zum Glück noch – die kräftige Rindssuppe mit Einlage. Auch wenn sie hierzulande oft als preisgünstiger und unspektakulärer Eröffnungsakt eines Menüs angesehen wird.

Suppenboom

In Frankreich erlebt die Bouillon hingegen gerade eine Renaissance. In Pariser Restaurants wie dem Bouillon Pigalle am Boulevard de Clichy stehen Menschen Schlange, um traditionelle, einfache französische Küche zu genießen. Der Hauptdarsteller ist dabei oft die Rindssuppe.

Dass eine Suppe nicht nur köstlich schmeckt, sondern auch stark und gesund macht, davon ist man in den USA überzeugt. In New York ist die "Bone broth to go" (Knochensuppe zum Mitnehmen) seit einiger Zeit ein Renner unter Superfood-Fans. Einer der Ersten, die die Knochensuppe im Pappbecher verkauft haben, war der italienische Koch Marco Canora. In seinem New Yorker Restaurant Brodo bietet er unterschiedliche Kraftsuppen an. Mittlerweile betreibt der Starkoch vier Filialen und liefert seine Suppe im Becher auf Wunsch auch nach Hause.

Auch das Berliner Start-up Bone Brox verkauft seine 18 Stunden gekochten Bio-Rindssuppen mit großem Erfolg. Anfang des Jahres gab es die Berliner Suppe aus dem Becher für ein paar Wochen sogar in einem Pop-up in Wien zu kaufen.

Königin der Tafel

Doch neben der Suppe geht es auch um die passende Einlage, die sich hierzulande meist nur noch auf Frittaten, Leberknödel oder Grießnockerln beschränkt. Dass die österreichische Suppenküche aber weit mehr zu bieten hat als derlei Klassiker, weiß die Köchin und Autorin Andrea Karrer. Sie widmete vor einigen Jahren den Suppeneinlagen ein ganzes Buch.

"Es gibt so viele Suppeneinlagen, dass wir über einen langen Zeitraum jeden Tag eine andere Suppe essen könnten. Aber die Leute verlangen nicht mehr nach traditionellen Suppen, und kaum jemand tut sich die Arbeit an, Einlagen wie Milzschnitten, Fleischstrudel oder Hirnpofesen zu machen", sagt Karrer. Viele der traditionellen Suppeneinlagen wurden übrigens von der Wiener Mehlspeisküche abgeleitet. So gibt es unzählige Suppenrezepte mit Strudeln, Profiterolen oder Krapfen.

Für Schaumsüppchen in Mokkatassen, wie sie heute in der gehobenen Gastronomie oft serviert werden, hat Karrer wenig übrig. Eine klare Rindssuppe sei die geheime Königin der Tafel, die den Appetit wachkitzelt, ihn aber nicht stillt, wie sie sagt. Entscheidend für den Geschmack der Rindssuppe ist die Auswahl der Zutaten.

"In einer guten Rindssuppe sollten neben Markknochen auch edlere Teile vom Tier schwimmen. Sie bringen Geschmack und Leben in die Suppe", sagt Max Stiegl. So eine Suppe dürfte dann auch mehr kosten, ist der Spitzenkoch überzeugt.

Bleibt die Frage: Müssen uns wirklich die Berliner zeigen, wie man eine gute Rindssuppe an den Mann bringt, oder schaffen wir das in Zukunft auch selbst wieder? (Alex Stranig, RONDO, 23.3.2018)

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