Bereit für die anstehenden Duelle: Sebastian Vettel (li) und Titelverteidiger Lewis Hamilton (re).

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Hamburg/Melbourne – Relaxen in Los Angeles und Colorado. Snowboarden in Japan. Surfen auf Hawaii. Lewis Hamilton hat seinen Winterurlaub in vollen Zügen genossen, um die "Batterien nach einem langen und schlauchenden Jahr wieder aufzuladen." Und dass beim Formel-1-Weltmeister pünktlich zum Saisonauftakt in Australien nun die Akkus bis zum Anschlag voll sind, ist nicht unbedingt eine gute Nachricht für seine Titel-Konkurrenten Sebastian Vettel (Ferrari) und Max Verstappen (Red Bull).

Titel Nummer fünf als Ziel

"Ich gehe mit einem Hunger in die neue Saison, als hätte ich noch keinen einzigen Grand Prix gewonnen. Ich spüre in mir das gleiche Feuer wie vor mehr als zehn Jahren", sagt Hamilton vor dem ersten großen PS-Schlagabtausch des Jahres in Melbourne (Sonntag, 7.10 Uhr MESZ). Nachlassen ist für den mittlerweile auch schon 33 Jahre alten Mercedes-Star keine Option: "Ich werde in dieser Saison mein Bestes geben, um Titel Nummer fünf zu holen. Das ist mein Ziel. Los geht's."

Keine Frage: Hamilton ist auch in diesem Jahr wieder der Mann, den es zu schlagen gilt. Es gibt keine Anzeichen, dass der Brite etwas von seinem Können eingebüßt hat. Wohl nie zuvor fuhr Hamilton auf einem höheren Niveau als 2017, nach 2008, 2014 und 2015 setzte er sich zum vierten Mal die Krone der Rennfahrer auf. Vettel hatte letztlich keine Chance. Nur Rekordweltmeister Michael Schumacher (7) und Juan Manuel Fangio (5) haben noch mehr Titel auf dem Konto als Hamilton.

Und der will ab sofort weiter an seinem Vermächtnis arbeiten – auch wenn ihn die Titelzählerei offiziell nicht so richtig interessiert. Für Hamilton zählen die Duelle Mann gegen Mann, Rad an Rad bei 300 km/h. "Ich habe die Titelkämpfe, in denen ich alles geben musste, immer mehr genossen als die Jahre, in denen alles glatt lief und wir dominierten", sagt er.

Doch die Testfahrten zuletzt in Barcelona deuteten genau daraufhin – dass Mercedes wieder dominieren könnte. Besonders in den Rennsimulationen machten die Silberpfeilen einen ganz starken Eindruck. "Jeder hat sich das Hinterteil aufgerissen und fantastische Arbeit abgeliefert", sagt Hamilton. Der Antrieb in seinem Wagen soll sogar die Schallmauer von 1000 PS brechen können. Doch Hamilton stapelt noch etwas tief: "Es ist immer noch schwierig, genau zu wissen, wo wir im Vergleich zu Red Bull und Ferrari stehen."

Vertragsverlängerung sehr wahrscheinlich

Und selbst wenn die Konkurrenz näher heranrückt: Hamilton weiß nur zu gut, dass Mercedes über die Saison hinweg das Auto am stärksten weiterentwickeln kann. Kein Wunder, dass der Superstar der Szene seine eindrucksvolle Karriere wohl bei dem Traditionsteam beenden wird. Die Verlängerung seines auslaufenden Vertrages ist nur noch eine Frage der Zeit.

Es wird wohl Hamiltons letzter Deal in der Formel 1 sein, auf seinem Weg, seine Marken weiter zu verbessern. Momentan hat er neben seinen vier WM-Titeln 62 Rennsiege gefeiert, nur Schumacher hat mehr. Er stand 72 Mal auf der Pole, 117 Mal auf dem Podium. Und die Akkus sind wieder voll. "Stillstand ist nichts, es ist das Ende", sagt Hamilton.

Ferrari unter Druck

Auch Ferrari und Vettel gehen einmal mehr topmotiviert in die Saison. Ferrari-Boss Sergio Marchionne jedoch strahlt zudem Ungeduld aus. Zu lange liegt der bisher letzte Fahrertitel zurück. 2007 war es, als Vettels aktueller Kollege Kimi Räikkönen von einer gnadenlosen Fahrerfehde zwischen Hamilton und dessen spanischem McLaren-Kollegen Fernando Alonso profitierte und im letzten Saisonrennen Weltmeister wurde.

Seitdem versucht Ferrari alles. Holte Alonso. Scheiterte an Vettel, als der für Red Bull viermal in Serie von 2010 bis einschließlich 2013 die WM gewann. Vettel musste her. Seit 2015 fährt er für die Scuderia, schaffte im ersten Jahr mit drei Siegen mehr als erwartet. Dann der Einbruch: 2016 gab es keinen einzigen Sieg. Im vergangenen Jahr war er in der ersten Hälfte auf Titelkurs, fünf Erfolge insgesamt reichten aber nicht.

Pannen, aber auch eigene Fehler – Vettel und Ferrari bremsten sich selbst aus. "Unterm Strich hat uns überall ein bisschen gefehlt", sagt Vettel. Hamilton glich nach Titeln aus. 199 Rennen, 47 Mal der Rennsieger, 99 Mal auf dem Podium, 50 Mal auf Pole Position – Vettels Bilanz ist die zweitbeste im Fahrerfeld.

Vettel vs. Schumacher

Dass Ferrari im vergangenen Jahr den Kampf lange offen gestalten konnte, nährt die Hoffnungen. Ross Brawn, einst Wegbegleiter und Erfolgsbereiter für Michael Schumacher bei Ferrari, konstatiert sogar, dass Vettel im dritten Jahr bei Ferrari eigentlich schon weiter war als Schumacher seinerzeit in der Saison 1998. Die WM verlor Schumacher damals gegen Mika Häkkinen im McLaren. Erst 2000 begann die Ära der Roten, in der Schumacher fünfmal in Serie die WM gewann.

Vettel will nicht länger warten. Er will den Tifosi den Titel schenken. Gewohnt zurückgezogen bereitete er sich in seiner Schweizer Wahlheimat auf das kräftezehrende Duell mit Hamilton und womöglich weiteren Titelkonkurrenten wie Max Verstappen im Red Bull auf die bis Ende November dauernde Saison vor.

Um Hamilton, der nach seiner Niederlage 2016 im WM- und Teamduell gegen Vettel-Landsmann Nico Rosberg die Grenzen seiner fahrerischen Klasse noch einmal neu definiert hat, zu schlagen, muss vermutlich auch alles passen. "Wenn es am Ende klappen sollte, wäre es fantastisch", sagt Vettel. Dann hätte die Startnummer 5 auch Titel Nummer 5. (sid, APA, 20.3.2018)