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Nach einem Abschmelzen der Gletscher wird es lange dauern, bis dort wieder genug Bodenstruktur vorhanden ist, um Wälder entstehen zu lassen. Im Bild der Helheim-Gletscher in Grönland.

Foto: ap/Karl Ritter

Meeresbiologe Gerhard J. Herndl an Bord des NIOZ-Forschungsschiffs Pelagia im Gespräch mit dem Kapitän.

Foto: Alexander Bochdansky

Das Klima managen – ja oder nein? Oder sollten besser andere Wege eingeschlagen werden, um zu einer Kohlendioxid-Reduktion zu kommen? Darüber haben Leserinnen und Leser im Forum zum Thema "Der Ozean als Retter unseres Klimas?" diskutiert. Vom Vorschlag, das arktische Eismeer zu kühlen, über die Frage, ob Klimamodelle wirklich alle Variablen berücksichtigen und was die beste Lösung für das Klimaproblem wäre, Meeresbiologe Gerhard J. Herndl gibt Antworten darauf:

Gerhard J. Herndl: Die Arktis zu kühlen, wäre mit einem enormen Energieaufwand verbunden. Das ist nicht realistisch. Es ist davon auszugehen, dass die Arktis in zehn bis zwanzig Jahren im Sommer eisfrei sein wird. Die Polarregionen der Ozeane sind für die Aufrechterhaltung der großen ozeanischen Zirkulation wichtig, die unser Klima beeinflusst. Einer der wichtigen Motoren der großen Zirkulation der Wassermassen ist die Tiefenwasserbildung im Atlantik zwischen Grönland, Island und Norwegen. Dabei verliert das Oberflächenwasser Wärme an die Atmosphäre, wird somit kälter und schwerer und sinkt dadurch in die Tiefen des Atlantiks, wo es in circa 2000 bis 3000 Metern Tiefe Richtung Antarktis fließt.

Meereis ist bei der Tiefenwasserbildung wichtig, weil bei dessen Bildung das Salz weitgehend aus dem Eis austritt und sich in den Wasserlagen direkt unter dem Eis ansammelt. Dadurch trägt die Meereisbildung indirekt zur Tiefenwasserbildung bei. Die Tiefenwasserbildung im Nordatlantik wird nun seit längerem intensiv erforscht und gemessen. Diese Messungen ergaben, dass diese von Jahr zu Jahr variiert, sich aber keine Trends abzeichnen. Sollte die Tiefenwasserbildung im Nordatlantik aber zum Erliegen kommen, wird auch der Golfstrom aufhören zu fließen. Die Ozeanzirkulation verhält sich wie ein Förderband – jede Änderung der Ozeanzirkulation hätte also große Auswirkungen auf unser Klima.

Herndl: In der Erdgeschichte gab es tatsächlich Perioden mit hoher und niedriger CO2-Konzentration, bedingt durch Eiszeiten und Zwischeneiszeiten. Was aber nun fundamental anders ist gegenüber früheren Phasen in der Erdgeschichte, ist, dass wir in sehr kurzer Zeit eine große Menge an fossilen Brennstoffen, die über Millionen von Jahren gebildet wurden, nun in CO2 umwandeln. Nach einem Abschmelzen der Gletscher, zum Beispiel Grönlands, wird es allerdings lange dauern, bis dort wieder genug Bodenstruktur vorhanden ist, um Wälder entstehen zu lassen. Zudem schwinden auch Waldflächen global in raschem Ausmaß, bedingt durch die Landnutzung, besonders in den Tropen. Das heißt, ein Abschmelzen der Gletscher wird nicht viel an CO2 binden durch das Aufwachsen von Wald. Zudem sind nicht die Bäume des Waldes der größte Kohlenstoffspeicher, sondern der Waldboden, besonders jener in natürlichen Wäldern, und davon gibt es auch in Österreich immer weniger.

Herndl: Unsere Wirtschaft ist auf Wachstum ausgerichtet bei möglichst billiger Gewinnung von Rohstoffen und auf der Produktion von Gütern, die kostengünstig in Billiglohnländern produziert werden. Was wir wirklich benötigen, ist eine Kreislaufwirtschaft, die mit den vorhandenen Ressourcen sparsam umgeht, Recyclingsysteme etabliert, um nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen. Es sollte jedem klar sein, dass wir mit dem gegenwärtigen Verbrauch von Rohstoffen unseren Lebensstandard auf die Dauer so nicht halten können.

Herndl: Die Klimamodelle wurden in den letzten beiden Jahrzehnten laufend verbessert, mehr Parameter fließen in diese Modelle ein als noch vor zehn bis zwanzig Jahren. Die in Abständen erstellten IPCC-Berichte liefern eine detaillierte Prognose. Es gibt natürlich Schwankungsbreiten, die aber relativ gering sind. Was schwer prognostiziert werden kann, sind etwaige Änderungen der Meeresströmungen, die allerdings großen Einfluss auf unser Klima haben. Die gegenwärtigen Prognosen über die Entwicklung des Klimas gehen von unveränderten Meeresströmungen aus. Es könnte jedoch sein, dass sich diese großen Meeresströmungen verändern, vor allem wegen des relativ großen Temperaturanstiegs in den Polarregionen und damit verbunden dem rapiden Rückgang an Meereis, das für das Betreiben der Ozeanzirkulation wichtig ist.

Herndl: Eine sofortige und drastische Reduktion des CO2-Ausstoßes in die Atmosphäre wäre natürlich die beste Lösung, aber dafür gibt es leider keine Anzeichen. Der CO2-Ausstoß durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe steigt leider global weiter an, trotz des Pariser Klimaabkommens. Eine Reduktion wäre aber dringend notwendig, um den Temperaturanstieg innerhalb der zwei Grad Celsius zu halten, die im Pariser Abkommen als Ziel festgelegt wurden. Hier besteht dringend politischer Handlungsbedarf. Nur ganz wenige Länder setzen, abgesehen von vagen Ankündigungen, Klimaziele auf die politische Agenda und ergreifen Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen.

Herndl: Es gibt generell eine große Bandbreite an Engagement in sozialen Medien bei Wissenschaftern, nicht nur in der Klimaforschung. Es ist eine Frage der verfügbaren Zeit und der Prioritäten, die man setzt. Mittlerweile haben aber fast alle großen Forschungsinstitute eigenes Fachpersonal, das sich um Bereitstellung von Information in sozialen Medien kümmert. Einige sind aktiver als andere. Beispiele für gute und informative Berichterstattung über die Rolle des Meeres auf das Klima sind neben anderen Institutionen wie AWI Media, Scripps Oceanography, GEOMAR – alle auf Twitter. (Gerhard J. Herndl, 22.3.2018)