Frankreichs Premier Édouard Philippe am 5. Dezember in Mont-Dore, Neukaledonien.

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Sicht auf den Hafen von Koumac im Norden von Neukaledonien.

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Noumea/Paris – 11.000 Kilometer von Paris, im Südpazifik, gute drei Stunden Flugzeit von der australischen Metropole Sydney entfernt, liegt Neukaledonien. Ein idyllisches Inselparadies mit weißen Stränden, dessen Barriereriff zu den größten Riffs der Welt gehört und das über ein Viertel der weltweiten Nickelvorkommen verfügt. Regiert wird die Inselgruppe von Frankreich, doch nun droht Paris der Verlust von Neukaledonien und seinen 270.000 Einwohnern. Wie das örtliche Parlament am Montag entschieden hat, sollen sie am 4. November über ihre Unabhängigkeit abstimmen.

Es ist nicht das erste Referendum dieser Art auf Neukaledonien – aber das erste Mal, dass die französische Regierung tatsächlich um ihr Überseegebiet bangen muss. Der Abstimmung geht eine lange Geschichte voraus.

Den englischen Seefahrer und Entdecker James Cook erinnerte die Insel 1774 an Schottland, weshalb er ihr den Namen Neukaledonien verpasst haben soll, nach dem antiken Volk, das im heutigen Schottland siedelte – wobei "Calédonie" im Französischen das antike Schottland meint.

Im frühen 19. Jahrhundert besiedelten sowohl Briten als auch Franzosen die Inseln. 1853 dann nahm Frankreich unter Napoleon III. die Inselgruppe in Besitz und nutzte sie fortan als Strafkolonie. 1946 wurde Neukaledonien zum Überseeterritorium erklärt. Seit den 1980er-Jahren mehrten sich die Unabhängigkeitsbestrebungen, die immer wieder zu Unruhen und blutigen Auseinandersetzungen, aber letztlich auch zu mehr Autonomie führten.

1987 fand der erste Volksentscheid statt: Damals stimmten die Bewohner mit überwältigender Mehrheit gegen die Unabhängigkeit vom einstigen französischen Kolonialherrn. Das lag allerdings auch daran, dass die Mehrheit der Einwohner, die Urbevölkerung der Melanesier oder Kanak, die nur knapp die Hälfte die Bevölkerung bildeten, das Votum boykottierte. Der europäischstämmige Teil, die Caldoches, hingegen stimmte mehrheitlich für den Verbleib bei Frankreich.

Zweite Abstimmung

Seit der Änderung der französischen Verfassung vom 28. März 2003 ist die Inselgruppe eine zu Frankreich gehörige Überseegemeinschaft mit besonderem Status ("collectivité sui generis"). Bis heute bedeutet das, dass Neukaledonien seine eigenen Gesetze macht, etwa auch zu Steuern und Arbeitsrecht. Paris kontrolliert die Verteidigungs- und Außenpolitik. Die Inselgruppe ist zudem mit je zwei Abgeordneten in der französischen Nationalversammlung und im Senat vertreten. Rund ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts besteht aus finanziellen Zuschüssen des französischen Mutterstaats.

Im Rahmen des 1998 zwischen der Pariser Regierung und der Nationalen Befreiungsfront (FLNKS) ausgehandelten Abkommens war für 2018 ein Referendum über die volle Selbstbestimmung beschlossen worden, das nun schlagend wird.

Immer noch verläuft die Bruchlinie zwischen Anhängern und Gegnern der Sezession entlang ethnischen Zugehörigkeiten. Wieder werden Ausschreitungen zwischen Ureinwohnern, die inzwischen nur mehr knapp 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, und den französischstämmigen Zuwanderern befürchtet.

Uneinigkeit herrscht nach Angaben des örtlichen Parlaments nur mehr über den Wortlaut der Abstimmungsfrage. Weil sie den vorgeschlagenen Text zu parteiisch fanden, stimmten drei Parteien gegen den Referendumsbeschluss, darunter auch die neukaledonische Gruppe der französischen Republikaner.

Präsident Emmanuel Macron hat stets betont, die französische Außenstelle im Pazifik behalten zu wollen. Premierminister Édouard Philippe reiste Ende vergangenen Jahres nach Neukaledonien, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Macron plant bis Mai ebenfalls einen Besuch. Neukaledonien wäre der erste Gebietsverlust für Frankreich seit der Unabhängigkeit Vanuatus im Südpazifik 1980. (dpa, giu, 21.3.2018)