Künstlerische Darstellung des 500 Meter großen Asteroiden, der alle sechs Jahre relativ nah am der Erde vorbeikommt.
Illustration: NASA

Eigentlich könnte es uns ja auch ziemlich egal sein. Denn es ist ziemlich ausgeschlossen, dass jemand von uns den 25. September 2135 erleben wird. An diesem Tag könnte nämlich ein Asteroid mit einem Durchmesser von knapp 500 Metern auf der Erde einschlagen und ziemlichen Schaden anrichten. Sollten tatsächlich die geschätzten 79 Millionen Tonnen auf der Erde ankommen, käme das 80.000 Hiroshima-Bomben gleich.

Die kumulierte Wahrscheinlichkeit, dass uns der 1999 entdeckte Brocken namens Bennu – genauer (101955) Bennu – in den nächsten 117 Jahren treffen wird, beträgt nach heutigen Schätzungen zwar nur 1 zu 2.700, also sehr viel weniger als ein Promille. (Benno kommt alle sechs Jahre relativ nahe an der Erde vorbei.) Dennoch spielte eine eigene Forschungsabteilung der Nasa gemeinsam mit weiteren US-Forschungsinstitutionen den Ernstfall durch – eben mit dem Datum 25. September 2135 – und plant am Beispiel dieser Bedrohung, wie man Asteroiden aus dem Weg räumt, ehe diese den Weg der Erde kreuzen.

Ein Konzept namens HAMMER

Das Konzept hat natürlich auch einen Namen, lautend auf "Hypervelocity Asteroid Mitigation Mission for Emergency Response". Die Bezeichnung lässt darauf schließen, dass bei der Nasa Leute tätig sind, die Akronyme lieben und Subtilität eher verachten. Denn die Kurzversion lautet schlicht und einfach: HAMMER. (Experten vermuten in diesem Zusammenhang ein sogenanntes Backronym.)

Im Wesentlichen besteht dieses Konzept aus einem Raumschiff, das in Richtung Asteroid abgefeuert wird, sowie zwei Einsatzszenarien. Entweder wird Bennu (oder ein ähnlicher Brocken) durch den fast neun Tonnen schweren "Massenimpaktor" – dem Hypervelocity Asteroid Mitigation Mission for Emergency Response-Vehikel, kurz: das HAMMER-Raumschiff – vom Kollisionskurs abgebracht. Das gelingt umso besser, je früher die Ablenkung erfolgt.

Einfach HAMMER: Bennu und die Abwehrmaßnahmen im Größenvergleich.
Illustration: NASA

Wie die Modellrechnungen zeigten, braucht es dafür aber mindestens sieben Missionen, um eine entsprechende Ablenkung allein durch den Aufprall zu erreichen, wie eine kürzlich veröffentlichte Pilotstudie im Fachblatt "Acta Astronautica" skizziert.

Es gibt aber noch eine zweite Version, die an Bruce Willis und "Armageddon" erinnert: Es würde ein von der HAMMER-Rakete mitgeführter nuklearer Sprengsatz den Asteroiden so aus der Bahn werfen und/oder signifikant verkleinern.

Als Trägerrakete kommt für die Forscher eine Delta IV Heavy infrage, die mit Nuklearsprengköpfen ausgestattet wird. Die Delta IV Heavy soll nach der Falcon Heavy, die kürzlich mit einem Tesla ins All startete, die zweitstärkste Trägerrakete werden, ist aber aktuell erst in Planung..
Foto: Nasa

Nasa-Raumfahrtingenieur Brent W. Barbee, der Erstautor der Studie, beharrte gegenüber der "Washington Post" freilich darauf, dass alle Überlegungen bisher noch rein theoretisch seien: "Wir machen solche Studien, um uns auf solche Fälle vorzubereiten. Wenn wir denn ein bedrohliches Objekt finden, sind wir besser gerüstet, mit der Bedrohung umzugehen."

Ständige Bedrohung und einiges Glück

Dinge aus dem Weltraum schlagen immer wieder auf der Erde ein. Die meisten von ihnen werden gar nicht bemerkt, aber einige sind groß genug, um ordentliche Schäden anzurichten. Menschen hatten in den letzten gut 100 Jahren fast immer Glück: Wäre jener Himmelskörper, der 1908 in der Region Tunguska in Sibirien niederging, auf besiedeltes Gebiet gekracht, hätte das böse Folgen gehabt: Der Impakt dürfte etwa 185-mal so stark gewesen sein wie jener der Atombombe von Hiroshima.

Der sehr viel kleinere Einschlag, der sich 2013 im russischen Ural zutrug, ging auf einen ursprünglich rund 15 Meter großen Brocken zurück, der immerhin rund 1.000 Menschen vor allem durch zerborstene Glasscheiben verletzte. Die materiellen Überreste dieses Himmelskörpers landeten als Meteoriten glücklicherweise in einem See.

Laut Barbee gibt es mehr von diesen Dingen, als viele Leute denken. Forscher entdecken jedes Jahr etwa 1.000 neue Objekte, die der Erde mehr oder weniger Nahe kommen. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr viel höher.

Diese Grafik aus dem Jahr 2013 zeigt die Umlaufbahnen von potenziell gefährlichen Himmelskörpern, die mehr als 140 Meter Durchmesser haben und die Umlaufbahn der Erde (schwarzer Ring) in weniger als acht Millionen Kilometern Entfernung passieren.
Grafik: Nasa/JPL

Warum ausgerechnet Bennu?

Was Bennu für die Nasa-Abwehrkoordinationsstelle so interessant macht, ist die Tatsache, dass es sich dabei um einen gut erforschten Himmelskörper handelt, der den Experten viele Anhaltspunkte für ihre Berechnungen liefert. Und demnächst werden wir über den Himmelskörper noch mehr wissen: Die Nasa-Raumsonde Osiris-Rex ist seit zwei Jahren auf dem Weg zu Bennu und hat Instrumente an Bord, um den Asteroiden zu kartieren und dessen Zusammensetzung zu ermitteln. Schließlich soll die Sonde im Juni 2020 rund 60 Gramm aus dem Gestein herauslösen und zur Erde bringen.

Sollte sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte tatsächlich herausstellen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Crashs mit Bennu sehr viel höher ist als 0,037 Prozent, dann könnte auf Osiris-Rex das eine oder andere HAMMER-Raumschiff folgen. Dessen Mission wäre es dann im sehr unwahrscheinlichen Ernstfall, deutlich mehr als nur 60 Gramm aus Bennu herauszusprengen. (Klaus Taschwer, 20.3.2018)