Welches Buch hat Sie schockiert?

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Österreich selbst ist nichts als eine Bühne
auf der alles verlottert und vermodert und verkommen ist
eine in sich selbst verhaßte Statisterie
von sechseinhalb Millionen Alleingelassenen
sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige

So erklang es 1988 von der ehrwürdigen Bühne des Wiener Burgtheaters, auf dem Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz" uraufgeführt wurde und einen der größten Theaterskandale Österreichs auslöste – dann aber doch zu einer der erfolgreichsten Burgtheater-Inszenierungen wurde. Nicht immer laufen derlei literarische Skandale so vergleichsweise glimpflich ab. Der Schriftsteller Salman Rushdie wurde nach der Veröffentlichung der "Satanischen Verse" im Jahr 1988 von Irans damaligem Staatschef Khomeini mit einer Fatwa belegt. Zusätzlich wurde ein Kopfgeld ausgesetzt, das zuletzt im Jahr 2016 auf mittlerweile vier Millionen Dollar erhöht wurde. Ein Übersetzer wurde ermordet, zwei weitere schwer verletzt, die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und Großbritannien vorübergehend ausgesetzt. Dem Erfolg des Buches tat das jedoch keinen Abbruch.

Es sind unterschiedliche Elemente, die aus einem Buch einen Skandal machen. So wie die explizite Beschreibung brutaler Gewalt in Bret Easton Ellis' "American Psycho", das in Deutschland für einige Jahre auf dem Index jugendgefährdender Schriften landete. Immer extremer werdende Exzesse, Sadismus, Verstümmelung, sexuelle Gewalt, Kannibalismus: Den Opfern Patrick Batemans – und den Lesern – bleibt nur wenig erspart.

Literarische Pornografie?

Als pornografisch empfundene Werke sind auch seit jeher für eine Aufregung gut. Das Empfinden hat sich jedoch über die Jahre verändert. Wurde "Lady Chatterley" von D. H. Lawrence aufgrund vermeintlicher Obszönitäten noch ein einigen Ländern verboten, so ist die Darstellung der intensiven Affäre bestenfalls pikant im Vergleich zu Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete" und dem sehr ungezwungenen Verhältnis zum eigenen Körper und der eigenen Sexualität der Hauptfigur Helen Memel. Nur wenige Bücher steigen mit einer genauen Beschreibung von Hämorrhoiden und Analfissuren in die Handlung ein. Der Antrag auf Indizierung wurde abgelehnt, das Buch ein durchschlagender Erfolg.

Auf der Liste jugendgefährdender Schriften fand sich über viele Jahre auch das Felix Salten zugeschriebene Werk "Josefine Mutzenbacher", die fiktiven Memoiren einer Wiener Prostituierten im 19. Jahrhundert. Auf heutige Leser wirkt es schwer verstörend, wird die Hauptfigur Josefine zu Beginn des Buches doch als kleines Kind beschrieben, das dem sexuellen Missbrauch, den sie von allen männlichen Bezugspersonen in ihrem Leben erfährt, lustvoll und freiwillig begegnet. Doch alle erwähnten Bücher verblassen im Vergleich zu Marquis de Sades in der Gefangenschaft der Bastille verfasstem Episodenromen "Die 120 Tage von Sodom". Es gibt quasi nichts, das es in diesem Buch nicht gibt: Inzest, Pädophilie, männliche wie weibliche Sexsklaven, bizarre Sexpraktiken und letztlich Mord. Von 46 Protagonisten leben am Ende noch zehn.

Öffentliche Empörung und Kontroversen, Indizierung, Verbote, Verrisse bis hin zu Aufrufen zur Gewalt und deren tatsächlicher Ausübung – Literatur kann all diese Reaktionen auslösen. Die meisten Buchskandale sind eng mit der Zeit ihrer Entstehung verbunden. Schwer vorstellbar, dass ein Roman wie "Lady Chatterley" auch heute noch für Aufregung und Verbote sorgen würde. Bei welchen Büchern aber ist die Empörung auch rückblickend noch nachvollziehbar?

Wie weit darf Literatur gehen?

Was ist für Sie ein Skandal, was eine literarische Grenzüberschreitung? Welches Buch hat Sie schockiert und warum? Und welche vermeintlichen Buchskandale können Sie überhaupt nicht nachvollziehen? Teilen Sie Ihre persönlichen Skandalbücher im Forum! (Anya Antonius, 22.3.2018)