1000 Jahre Byzanz in einer Ikone: Kaiser Konstantin der I. (links) ebnete dem Christentum den Weg, seine Mutter Helena (rechts) hat der Legende nach das Kreuz Jesu Christi gefunden. In den Gesichtern sollen sich allerdings Byzanz’ letzter Kaiser, Konstantin der XI., und dessen Mutter verewigt haben.

Foto: Germanisches Nationalmuseum, Sebastian Tolle

Schallaburg – Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es. Im Falle der Ikone des Heiligen Konstantin und seiner Mutter Helena muss man von mehr als tausend Jahren sprechen. "Vergessene Jahre", wie der Untertitel der heurigen Großausstellung Byzanz und der Westen auf der Schallaburg lautet. Das Bildnis, das dort gleich am Beginn der Schau steht, bildet die Klammer für jene Zeit, die Europa und den gesamten Mittelmeerraum tief geprägt hat. Eine Zeit, die in der historischen Forschung lange als vernachlässigbar galt, heute aber als grundlegend für den Weg der Aufklärung angesehen wird.

Sie beginnt mit Konstantin dem Großen, der im vierten Jahrhundert nach Christus im Römischen Reich Religionsfreiheit erlaubt und den Jesus-Anhängern damit den Weg zur Staatsreligion ebnet. 324 verlegt der Kaiser seine Residenz vom unter Druck geratenen Rom in die aufstrebende Stadt am Bosporus: Konstantinopel, das heutige Istanbul, erwächst aus der antiken griechischen Kolonie stadt Byzantion und wird zum neuen Zentrum des Reichs.

Während Westrom durch die Völkerwanderung in eine Zeit der Instabilität und Transformation gerät, sehen sich die Byzantiner als einzig wahre Römer. Tausend Jahre hat das Reich, das erst die Forschung als Byzanz bezeichnen wird, Bestand. 1453 ergibt man sich dem Ansturm der Osmanen. Auf den Verteidigungswällen steht wieder ein Konstantin, der XI. und letzte. Die angesprochene Ikone soll in seinem Auftrag entstanden sein. Für das Aussehen der Figuren standen vermutlich er selbst und seine Mutter Helena Dragaš Pate. Ein Kreis, der sich geradezu prophetisch schließt.

Foto: Klaus Pichler

Damit hat es sich dann aber schon fast mit der Ikonenbelehrung. Die von Falko_Daim und Dominik Heher in Kooperation mit dem Römisch-Germanischen Museum Mainz, der Uni Wien und der Akademie der Wissenschaften kuratierte Ausstellung will es nämlich vermeiden, das Thema Byzanz auf Ostkirchengeschichte und glänzende Schätze zu reduzieren. 2012 blickte man in der Schau Das Goldene Byzanz und der Orient auf die Ostbeziehungen des Reichs. Nun wechselt man die Perspektive und nimmt das Verhältnis zum Westen in den Blick.

An oberster Stelle steht da die Sprache: Ganz buchstäblich mit dem Latein am Ende war man nämlich in Byzanz, als man zunehmend weniger Notwendigkeit sah, sich mit dem untergehenden Westreich in dessen Sprache zu verständigen. Im Osten kultivierte man stolzes Griechisch, über "germanische Barbaren", die nun im Westen das Kommando übernahmen, rümpfte man die Nase.

Wien als "Windopolis"

Die kulturelle Entfremdung, die mit Sprachbarrieren begonnen hatte, verschärfte sich noch als der römische Papst in dem Frankenkönig Karl dem Großen einen Schutzherren erwählte und ihn im Jahr 800 zum Kaiser krönt. Eine machtpolitische Düpierung des Ostens, die sich letztlich bis zur Spaltung in die katholische und orthodoxe Christenheit fortsetzt.

Die diplomatischen Beziehungen blieben dennoch eng. In der Ausstellung zu sehen sind etwa mittelalterliche Vokabellisten und kostbare Bücher (viele Leihgaben aus Frankreich), die das Bemühen beider Seiten unterstreichen, die Sprachkenntnisse aufzufrischen. Andere Objekte zeigen die Byzantiner als Meister der Geschenkdiplomatie: Im Tausch gegen militärischen Beistand stillten sie die Gier des Westens nach Stoffen, Gold und Reliquien.

Prestige und Macht brachte die Heirat einer byzantinischen Prinzessin. Theophanu, Gemahlin von König Otto II., regierte das römisch-deutsche Reich zeitweise alleine. Der Babenberger Heinrich II. Jasomirgott ehelichte 1148 die Byzantinerin Theodora. Ausgestellt ist eine Schenkungsurkunde, in der das Paar seine neue Residenzstadt Wien griechisiert als "Windopolis" bezeichnet.

Foto: Klaus Pichler

Die scheinbar friedliche Koexistenz der Reiche erfährt nur fünfzig Jahre später einen skandalösen Bruch. 1204 erobern französische und venezianische Kreuzfahrer auf dem Weg ins Heilige Land Konstantinopel und leiten damit den politischen Niedergang von Byzanz ein. Kulturell hingegen kommt es zu einer letzten Blüte, die auf den lateinischen Westen, insbesondere auf Italien ausstrahlt: Künstler übernehmen östliche Bildmotive wie den Marientod oder Madonna mit Kind, vor allem aber erweist sich Byzanz als Wissensspeicher der antiken griechischen Schriften und damit als Brücke zwischen den Wirren des Mittelalters und dem Zeitalter der Vernunft, das mit der italienischen Renaissance beginnt.

Den Kuratoren gelingt eine Schau, die auserzählte Aspekte ausspart und die byzantinische Zeit mit Fokus auf Kommunikation und Migration im Mittelmeerraum ins Heute holen will. Dort, wo die Globalisierung – mit all ihren Chancen und Konflikten – schon früh im Kleinen vorweggenommen wurde. (Stefan Weiss, 21.3.2018)