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Htin Kyaw war seit März 2016 Präsident Myanmars.

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Aung San Suu Kyi verliert Vertrauten: Myanmars Präsident tritt zurück

Staatsoberhaupt/Politik/Myanmar (Burma)/Zusammenfassung – Herber Verlust für die Regierungschefin

Yangon (Rangun) – In Myanmar tritt überraschend der Staatspräsident zurück – Aung San Suu Kyi. Der Friedensnobelpreisträgerin selbst, die international gerade schwer in der Kritik steht, ist das höchste Staatsamt verwehrt.

Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi hat inmitten massiver Kritik wegen der Verfolgung von Muslimen einen ihrer engsten Vertrauten verloren. Der Präsident des südostasiatischen Staats, Htin Kyaw, trat am Mittwoch überraschend zurück. Der 71-Jährige hatte seit März 2016 das höchste Staatsamt inne – als erster Zivilist seit mehr als einem halben Jahrhundert. Das Militär hat in dem 50-Millionen-Einwohner-Land weiterhin großen Einfluss.

"Staatsrätin"

Wegen einer umstrittenen Verfassungsklausel kann Suu Kyi selbst nicht Präsidentin werden. Die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 führt mit dem Titel einer "Staatsrätin" seit zwei Jahren die Regierung. Der Präsident ist augenblicklich weniger wichtig. Als möglicher Nachfolger gilt der bisherige Parlamentspräsident Win Myint. Er kommt ebenfalls aus Suu Kyis Nationaler Liga für Demokratie (NLD).

Der Rücktritt wurde über das Facebook-Konto des Präsidialamts bekanntgegeben. Zur Begründung hieß es in einer kurzen Erklärung lediglich, der Präsident nehme eine "Auszeit von seinen gegenwärtigen Pflichten/seiner Arbeit". In der Vergangenheit wurde mehrfach über Kyaws Gesundheitszustand spekuliert.

Internationale Kritik

Der Abgang trifft die Regierungschefin in einer Phase, in der sie international massiv in der Kritik steht. Wegen des brutalen Vorgehens von Myanmars Armee gegen die muslimische Minderheit der Rohingya gibt es auch Forderungen, ihr den Nobelpreis abzuerkennen. Aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar sind etwa 700 000 Muslime ins Nachbarland Bangladesch geflohen, wo sie oft unter katastrophalen Bedingungen leben. Trotzdem traut sich kaum jemand zurück.

Die Vereinten Nationen bezeichnen das Vorgehen der Militärs als "ethnische Säuberung". Nach Berichten von Hilfsorganisationen gab es Tausende Tote. Suu Kyi hat dazu lange geschwiegen. Inzwischen rechtfertigt sie das Vorgehen mit der Bedrohung durch Terrorismus.

Weggefährte

Die einstige Oppositionsführerin, die zu Zeiten der Militärdiktatur 15 Jahre unter Hausarrest stand, ist auf die Unterstützung der Armee angewiesen. In ihrem Kabinett besetzt das Militär mehrere Schlüsselministerien wie das Innen- und das Verteidigungsressort.

Kyaw ist seit vielen Jahrzehnten einer ihrer engsten Weggefährten. Die beiden kennen sich bereits aus der Schulzeit, er war auch mit ihrem verstorbenen Mann – einem Briten – befreundet. Der Wirtschaftswissenschaftler gehörte zu den wenigen Leuten, die sie im Hausarrest besuchen durften. Deshalb galt er nach dem Ende der Militärdiktatur und dem Wahlsieg der NLD als logische Wahl für den Präsidentenposten.

"Symbolischer Präsident"

Im Amt begnügte er sich weitgehend mit der Wahrnehmung von protokollarischen Aufgaben. Der Myanmar-Experte David Mathieson sagt: "Kyaw war eher ein symbolischer Präsident." Im Vergleich zu Suu Kyi habe er keine Macht gehabt. Die Nobelpreisträgerin selbst kann nicht Präsidentin werden, weil ihre beiden Söhne die britische Staatsbürgerschaft besitzen.

Die Machtverhältnisse zwischen der "Staatsrätin" und dem Militär sind nach Meinung vieler Experten noch nicht geklärt. Zunehmend gewann in den vergangenen Monaten Armeechef Min Aung Hlaing an Einfluss. Der 61-Jährige gilt als Hauptverantwortlicher für das brutale Vorgehen gegen die Rohingya. In Myanmar selbst gibt es daran kaum Kritik.

Nach der Verfassung muss das Parlament binnen sieben Tagen einen neuen Präsidenten wählen. Suu Kyi berief für Samstag die NLD-Führung ein. In der Übergangszeit ist Vizepräsident Myint Swe amtierendes Staatsoberhaupt, ein Mann der Militärs. Der Politik-Wissenschaftler Sai Wansai hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass das so bleibt. Aus seiner Sicht hat die Armee Interesse, dass Suu Kyi weiter internationale Kritik auf sich zieht.

Zuletzt gab es mehrfach Spekulationen über eine Erkrankung des bisherigen Präsidenten. Regierungssprecher Zaw Htay sagte dazu, Kyaw habe eine "erfolgreiche Operation" hinter sich. Zu Beginn der Woche gab es auch Spekulationen über Suu Kyis Befinden. Auslöser war, dass die 72-Jährige bei einem Besuch in Australien einen Auftritt aus "Gesundheitsgründen" absagte. Grund könnte aber auch gewesen sein, dass sie kritischen Fragen aus dem Weg gehen wollte. (APA, dpa, 21.3.2018)