Eugene Young: Bedenken gegenüber der Regierung in Wien werden direkt und diskret vorgebracht.

Foto: Robert Newald

STANDARD: Henry Kissinger hat einmal gesagt, er wisse nicht, welche Nummer er wählen soll, wenn er Europa anrufen wolle. Heute ist von Europa aus schwierig zu erkennen, welche Nummer man denn in Washington wählen soll. Haben Sie Empfehlungen?

Young: Ja, sicher! Der Präsident führt das Land. Er hat ein sehr gutes Team um sich geschart, wenn es um Außen- und Verteidigungspolitik geht. Da sind der Verteidigungsminister, der Nationale Sicherheitsberater, UN-Botschafterin Nikki Hailey. Demnächst werden wir einen neuen Außenminister haben, inzwischen amtiert dessen Stellvertreter. Es gibt Veränderungen, aber die Politik bleibt ja die gleiche.

STANDARD: Abgesehen vom Personal, das transatlantische Verhältnis ist so schlecht wie kaum je zuvor. Wir stehen am Rande eines Handelskrieges. Wie kommen wir aus diesem Schlamassel heraus?

Young: Wir leben im Zeitalter der Aufregung. Und aus meiner Sicht gibt es mitunter zu viel Drama. Der Begriff Handelskrieg zum Beispiel ist eine grobe Übertreibung. Es ist wichtig, Medien und Social Media zu verfolgen, aber wir müssen auch sehen, was wir unter dem Strich gemeinsam tun und erreichen wollen. Natürlich kann man sich hier und da auf einzelne Statements kaprizieren. Aber Tatsache bleibt, dass wir überall auf der Welt mit Europa kontinuierlich zusammenarbeiten. Der Präsident hat es in Warschau selbst gesagt: Europa ist unser Partner. Wir sind stärker mit Europa und schwächer ohne es. Genau dasselbe gilt umgekehrt für Europa. Daran hat sich nichts geändert. Worum geht es am Ende des Tages? Bei der Nato etwa ging es darum, dass die Europäer ihre Beiträge erhöhen sollen, und nicht darum, dass der Präsident die Nato loswerden wollte. Beim Handel ist es genauso.

STANDARD: Einverstanden, was die Nato betrifft. Aber hat es diese Handelsdebatte tatsächlich gebraucht?

Young: Über Jahrzehnte war der US-Markt offen für europäische und asiatische Volkswirtschaften, die sich entwickeln mussten. Österreichische Unternehmen verkaufen heute mehr in die USA denn je. Die Staaten sind der zweitwichtigste Exportmarkt für Österreich. Ich selbst bin in Buffalo, New York, aufgewachsen. Das war eine wichtige Stahlstadt voller guter Jobs und Prosperität. Das hat sich mit den Billigstahlimporten dramatisch geändert, die Stadt hat sich davon nie mehr wirklich erholt. Das ist nur eine kleine Geschichte. Es gibt Gewinner in der Handelspolitik und diejenigen, denen es weniger gut ergeht. Viele Amerikaner gehören zu den Letzteren. Diese hat der Präsident im Blick. Es gibt viele Ungleichheiten im Handel, und die werden nun diskutiert.

STANDARD: Aber genau das bringt der Freihandel, den die USA immer gefördert haben, mit sich.

Young: Wir haben offenen Handel und keinen Freihandel. Und den fördern wir weiterhin. Fragen Sie die Firmen hier, wie schwer es ist, in den USA Geschäfte zu machen, und wie schwer in China.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Beziehungen zwischen Österreich und den USA derzeit?

Young: Sehr positiv. Wir arbeiten auf vielen Feldern hervorragend zusammen, unter anderem bei den Friedensbemühungen auf der Koreanischen Halbinsel.

STANDARD: Österreichs Bemühungen um ein internationales Atomwaffenverbot unterstützen die USA trotzdem nicht.

Young: Darüber haben wir viel diskutiert. Der Punkt ist, wir wollen beide zum selben Ziel, nur sehen wir unterschiedliche Wege dorthin. Freunde stimmen eben nicht in jedem Punkt überein.

STANDARD: Was passiert mit den 100 Iranern, die wegen des Einreisebanns in Wien gestrandet sind?

Young: Tausende sind mit diesem Programm über Österreich in die USA gekommen. Wir arbeiten daran, dass auch diesen Menschen geholfen wird.

STANDARD: Wie sehen Sie die ausgesprochene Russland-Freundlichkeit der FPÖ?

Young: Wir haben guten Dialog mit allen Teilen der Regierung. Wenn wir Bedenken haben, äußern wir sie direkt und privat. Es gibt keine Meinungsunterschiede der Regierungen in der Beurteilung der Handlungen der russischen Regierung in Europa. Der Kanzler hat in Moskau klargemacht, dass Wien auf der EU-Position ist.

STANDARD: Haben Sie schon einmal Bedenken geltend gemacht?

Young: Wie gesagt, wir machen das diskret.

STANDARD: Was erwarten Sie sich von Wiens EU-Präsidentschaft?

Young: Der Westbalkan ist für uns ein zentraler Punkt. Wir wünschen uns eine aktivere Politik der EU diesbezüglich. Diese Länder sind Europa und brauchen eine glaubhafte europäische Perspektive. Wir sollten nicht in frühere Zustände zurückfallen.
(Christoph Prantner, 22.3.2018)