Es leben zwar mehr Menschen in Demokratien als in Autokratien, doch der Zustand vieler Staaten ist laut "Transformationsindex" der Bertelsmann-Stiftung besorgniserregend.

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Das heurige Jahr ist für Österreich wahrlich ein geschichtsträchtiges. Die Annexion Österreichs an Nazi-Deutschland jährte sich am 12. März zum 80. Mal. Bundespräsident Alexander van der Bellen forderte auf, Lehren aus der Geschichte zu ziehen und gegen "menschenverachtende Ideologien" aufzustehen. Hugo Portisch sagt Ähnliches in "Menschen und Mächte Spezial". André Heller erinnerte bei der Gedenkrede an das Schicksal seines Vaters und auch Bundeskanzler Sebastian Kurz fand mahnende Worte. Kurzum: Der Tenor war, die demokratischen Werte unserer Gesellschaft zu verteidigen.

Zu viel "Political Correctness"?

Vizekanzler Heinz-Christian Strache erntete unter einem Facebook-Posting, in dem er die NS-Verbrechen verurteilte, einen heftigen Shitstorm: Die Kommentatoren echauffierten sich über "politische Korrektheit" und "Kollektivschuld", die nach 80 Jahren unangebracht sei. Schließlich könne "unsere Generation" nichts für die Gräueltaten des NS-Regimes. Klar, das behauptet auch niemand, und trotzdem ist eine derartige Abwehrhaltung äußerst unreflektiert und auch bequem. Vor allem, wenn man den Blick auch auf die innenpolitischen Entwicklungen anderer Staaten richtet, ist rasch erkennbar, dass Kurz und Strache sich international in bester Gesinnungsgemeinschaft befinden und es bei genauerer Betrachtung vielleicht mehr Ähnlichkeiten zu den späten 1930er Jahren gibt, als einem lieb ist.

Weltweites Erstarken der Rechtspopulisten

Im benachbarten Ungarn arbeitet Viktor Orbán zielstrebig auf das Modell der Illiberalen Demokratie hin, in dem Gewaltenteilung – wenn überhaupt – auf dem Papier existiert. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in Polen, seit die rechtskonservative Partei PiS die Regierung stellt. Etwas weiter südöstlich ist Tayyip Erdoğan im Begriff, die Türkei in einen autoritären Staat zu verwandeln und niemand regt sich auf. China baut einen Orwell’schen Überwachungsstaat wie er im Buche steht und zudem ließ Xi Jinping kürzlich die Amtszeitbeschränkung des Präsidenten aus der Verfassung streichen – US-Präsident Donald Trump liebäugelte mit dieser Idee. Auf den Philippinen steht ein Mann an der Spitze, der den Kampf gegen Drogenkriminalität mit dem Holocaust vergleicht. Die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden – ein genauerer Blick auf die politischen Entwicklungen in diesen Staaten lohnt sich.

Rechtspopulisten sind längst keine staatenspezifischen Randerscheinungen mehr. Sie sind international im politischen Mainstream angekommen, haben es in vielen Ländern sogar bis auf die Regierungsbank geschafft und man muss sie endlich als das bezeichnen, was sie sind: autoritäre Herrscher, die versuchen, ihren Machtapparat auszubauen und dabei die Demokratie schrittweise abmontieren.

Wie viele Straches, Erdoğans, Orbáns, Jinpings und Dutertes vertragen wir noch? Und wie lange brauchen wir, um ihnen entschlossen entgegenzutreten? Die Lehren aus den 1930er Jahren haben wir wohl nicht gezogen, denn sonst hätten wir wohl entschiedener versucht diese Tendenzen schon bei ihrem ersten Erscheinen im Keim zu ersticken. (Martina Winkler, 22.3.2018)