In Ruanda geht es mit dem Gesundheitssystem seit langem wieder bergauf. Doch die Rettungsfahrer haben keine medizinische Ausbildung. Hier will das Österreichische Rote Kreuz unterstützen.

Foto: Rotes Kreuz

Kigali/Wien – Als Pascal Kayiranjas Onkel krank wurde, musste alles ganz schnell gehen. Den Notruf wählte niemand, weil sowieso niemand gekommen wäre. Im ländlichen Ruanda Anfang der 1980er-Jahre wartete kein Rettungssanitäter oder Arzt auf einen Notfall. Ein Motorrad musste gemietet und der kranke Onkel aufgeladen und in das nächste Bezirkskrankenhaus gebracht werden. "Das hat sich erst nach 1994 geändert", erinnert sich der heute 41-jährige Kayiranja, der mittlerweile als Arzt im ostafrikanischen Staat praktiziert und sich beim Roten Kreuz engagiert.

1994 war das Jahr, das die Geschichte Ruandas in ein Vorher und ein Nachher teilt. Nach der Ermordung des Präsidenten Juvénal Habyarimana eskalierte die Gewalt zu einem Blutrausch, der sich vor allem von Angehörigen der ethnischen Gruppe der Hutu gegen die Tutsi und moderate Hutu entlud. Binnen 100 Tagen wurden 800.000 bis eine Million Menschen während des Genozids ermordet, Millionen Ruander flohen über die Grenze.

Gesundheitsmärchen

Die Folgen des dadurch zusammengebrochenen Gesundheitssystems waren jahrelang noch spürbar. Die Zahlen der HIV-Infektionen und Malariatoten stiegen, gleichzeitig sank die Lebenserwartung. Seitdem im Jahr 2000 Paul Kagame zum Präsidenten des Landes gewählt wurde, lesen sich die Verbesserungen im Gesundheitssektor wie ein Märchen. Das Staatsoberhaupt, das auf der einen Seite mit Gewalt die Opposition einschüchtert und Meinungsfreiheit unterdrückt, hat auf der anderen Seite eine effiziente Bürokratie aufgebaut.

Das Ergebnis: Rund 90 Prozent der Ruander sind krankenversichert. Im Jahr 2003 waren es noch sieben Prozent. Die Lebenserwartung konnte von 2010 bis 2015 von 49 auf 66,7 Jahre angehoben werden. Gleichzeitig sank die Müttersterblichkeit von 476 Toten im Jahr 2010 auf 210 Todesfälle bei 100.000 Geburten im Jahr 2015. Gleichzeitig hat Kagames Regierung das ehrgeizige Ziel ausge rufen, Gebärmutterhalskrebs bis zum Jahr 2020 auszurotten. Dazu wurden bereits mehr als 97 Prozent der Frauen von elf bis 15 Jahren gegen humane Papillomviren geimpft, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können.

Ausbau der Infrastruktur

Zudem wurde die medizinische Infrastruktur ausgebaut. Es gibt nun 44 Bezirksspitäler anstatt 34 im Jahr des Genozids. Die Ärzte müssen nicht mehr mehrheitlich im Ausland ausgebildet werden, und 216 Ambulanzen transportieren Verletzte in Gesundheitseinrichtungen. Doch auch das sind noch zu wenige. Zum Vergleich: Allein das Rote Kreuz in Österreich besitzt mehr als 2000 Einsatzfahrzeuge. Und das, obwohl in Österreich um rund zwei Millionen Menschen weniger als in Ruanda leben.

Darum hilft das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) gemeinsam mit dem belgischen Landesverband in Ruanda, dort ein ähnliches System aufzuziehen. Insgesamt vier Ambulanzen sollen in der Pilotphase in zwei Provinzen stationiert werden. Unter anderem im Bezirksspital von Nyamata, wie Roland Meier erzählt, der derzeit für das ÖRK vor Ort ist.

Ruf nach Ausbildung

Nyamata liegt südlich der Hauptstadt Kigali und beheimatet einen der sechs landesweiten Genozidgedenkorte. Eine Kirche, in der verfolgte Tutsi Unterschlupf suchten und schließlich mit Granaten und Gewehrschüssen hingerichtet wurden, wurde zum Friedhof für rund 50.000 Opfer des Massenmordes.

"Ich war beeindruckt, wie vieles hier schon sehr gut funktioniert", sagt Meier nach einem Besuch in dem Bezirkskrankenhaus. Auch Kayiranja hebt die Errungenschaften Ruandas hervor, doch fügt er hinzu: "Eigentlich sollte immer eine Krankenschwester in der Ambulanz mitfahren, doch das ist nicht immer möglich."

Keine Medizinische Schulungen

Die Fahrer erhalten keine medizinische Schulung. Hier knüpft das Projekt des ÖRK an: Gemeinsam mit Kollegen vor Ort soll ein Ausbildungsprogramm für den Beruf des Rettungssanitäters erarbeitet werden. "Diese Leute sollen in Zukunft zum Teil angestellt, zum Teil ehrenamtlich im Einsatz sein", sagt Meier.

Zu dem Vorhaben gibt es auch schon positive Signale aus dem ruandischen Gesundheitsministerium: Ein Verbindungsmann aus dem Ministerium arbeitet gemeinsam mit den Mitarbeitern des Roten Kreuzes an der Umsetzung. Damit sich Ruandas Gesundheitssystem weiter von den Folgen des Jahres 1994 erholt. (Bianca Blei, 23.3.2018)