Zu jenen Künstlerinnen, die von den politischen Entwicklungen der 1930er-Jahre ins Exil gezwungen wurden, zählte die Österreicherin Marie-Louise von Motesiczky. Dieses "Selbstbildnis" entstand 1926.

Foto: Belvedere, Wien

Oskar Kokoschka, "Der Prager Hafen", 1936

Foto: Belvedere Wien

Erika Giovanna Klien, "Komposition mit Saiteninstrumenten", 1923–1924

Foto: Belvedere Wien

Wien – Man sagt unserer politischen Gegenwart bisweilen Parallelen zur Zeit zwischen den Weltkriegen nach – etwa in Anbetracht des jüngsten Erstarkens rechtspopulistischer Kräfte. Und ja, gewiss ist es heute angebrachter denn je, eine Sensibilität für soziopolitische Stimmungen und Entwicklungen zu fördern. Einen nützlichen Beitrag mag hierzu auch jene Ausstellung leisten, die nun das Belvedere zum Jahr der Kunstjubiläen beisteuert.

Unter dem Titel Klimt ist nicht das Ende präsentiert man Positionen der europäischen Kunst zwischen den 1910er-Jahren und dem Zweiten Weltkrieg. Was Betrachter dabei nachvollziehen, ist eine intensive Suche von Künstlern allerorten nach einer neuen Selbstdefinition. Gerade das Jahr 1918 – Ende des Ersten Weltkriegs und der Habsburgermonarchie – hatte eine massive Zäsur bedeutet, zumal in jenem Jahr mit Gustav Klimt, Egon Schiele und Otto Wagner Ikonen der Jahrhundertwende verstorben waren.

"Frech" gemeint

Dass gerade Klimts Tod als Ende einer glanzvollen Ära wahrgenommen wurde, spiegelt eben der Titel der Ausstellung wider. Ja, Klimt ist nicht das Ende klingt etwas merkwürdig, ist laut Belvedere-Chefin Stella Rollig aber "frech" gemeint. In der sehenswerten Ausstellung bildet Klimt nun jedenfalls ganz folgerichtig den Anfang.

Sie führt in eine facettenreiche Bilderwelt, die nicht zuletzt etliche schöne Überraschungen bietet. Anmutige surrealistische Gemälde des Tschechen Jindrich Styrský finden sich hier ebenso wie ein berückendes Selbstbildnis der Expressionistin Marie-Louise von Motesiczky. Was Kurator Alexander Klee mit seiner Selektion vermitteln möchte, ist dabei etwa ein alternativer Blick auf den Begriff der Grenze.

Weniger anhand von Nationalgrenzen lässt sich die Kunst jener Zeit nämlich fassen. Viel identitätsbestimmender waren für die Künstler Netzwerke, etwa die "kosmopolitische" Vereinigung Abstraction-Création in Frankreich. Derlei Gruppen sowie diverse internationale Zeitschriftenprojekte ließen sich dabei durchaus als Teil eines "Internet von damals" sehen, sagt Klee. Häufig dienten Bilder nicht zuletzt der Kommunikation, der "Suche nach Gleichgesinnten".

Eskapistische Traumwelten und Technologie

Spannend ist es auch, das breite Spektrum von Haltungen gegenüber der Zwischenkriegsgegenwart zu vermessen, das sich hier abbildet. Um den Ausdruck innerer Vorgänge geht es den Expressionisten, deren prominenter Vertreter Oskar Kokoschka einen durch die Ausstellung "begleitet"; in eskapistische Traumwelten führen die Landschaften des Phantastikers Franz Sedlacek; ungleich technologieaffiner zeigen sich jene Künstler, die 1924 in der Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik im Wiener Konzerthaus ausstellten.

Gestaltet von Architekt Friedrich Kiesler, zeigte diese Schau u. a. Künstler des Bauhauses, denen auch ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Ebendort konterkariert dann ein Bild Sándor Bortnyiks jene "emotionalisierten" Menschenbilder, die man in der Ausstellung bis dahin gesehen hat: Betitelt Der neue Adam (1924), zeigt es eine Art Holzpuppe in einer geometrischen Landschaft.

Ende mit Kröte

Derlei "optimistische" Blicke in die Zukunft werden freilich von Bildern überschattet, in denen Künstler sich den Gräueln des Krieges zuwandten. Ohne Verklärung kommt etwa László Mednyánszkys Weihnachten der Kriegsgefangenen (1915) aus; wie ein schauriges, einem Klimt-Bild entstiegenes Gespenst wirkt dagegen jener geflügelte und mit Lichtkranz versehene Soldat, der in Alois Hans Schramms Gemälde Karpatenwacht (1914/15) über den Leichen einer Schlacht thront.

Ja, etliche rote Fäden durch die Schau lassen sich finden. Im Abschlusskapitel, das Reaktionen der Künstler auf die Entwicklungen der 1930er-Jahre thematisiert, wird einem aber jedenfalls eine Kröte begegnen. Jene nämlich, die John Heartfield nebst einem Hakenkreuz monumental auf sein Plakat Stimme aus dem Sumpf druckte. "Dreitausend Jahre konsequenter Inzucht beweisen die Überlegenheit meiner Rasse!", diese Worte legte er der Amphibie in den Mund. (Roman Gerold, 23.3.2018)