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Die Statue des Stahlarbeiters steht in Braddock, Pennsylvania, nahe dem Edgar-Thomson-Werk, das heute zu US Steel gehört. Eine Modernisierung des Werks sei bisher zu teuer gewesen.

Foto: APA / AFP / Getty Images / Drew Angere

Pittsburgh – Tim Waters ist anzumerken, in welche Gewissenskonflikte ihn die Frage stürzt. So souverän er bis dahin geklungen hat, so flüssig ihm die Sätze über die Lippen gekommen sind, an diesem Punkt ringt er mit sich. Ob er Donald Trump unterstütze? "Nun ja", sagt er nach einer Pause, "wir unterstützen seine Entscheidung." Es gehe doch nicht um die Person, es gehe um Jobs, amerikanische Jobs. "Also, wenn Sie mich so direkt fragen, ja, ich applaudiere dem Präsidenten für das, was er macht."

Waters ist politischer Direktor der United Steelworkers' Union, der Gewerkschaft der Stahlarbeiter. Streng zurückgekämmtes Haar, randlose Brille, ein sachlicher Typ. Einer, der sich von jeher für die Demokratische Partei ins Zeug legt. Der Wähler anruft, Klinken putzt, Flugblätter verteilt, wenn das Rennen ums Oval Office alle vier Jahre seinen Einsatz erfordert. 2016 rieb er sich auf für Hillary Clinton, etwas anderes kam für ihn gar nicht infrage. "Aber Trump", sagt er, "hat getan, was schon lange getan werden musste. Er hat eine Linie in den Sand gezogen: bis hierher und nicht weiter."

Retten, was zu retten ist

Mit der Linie sind die Importzölle auf Stahl und Aluminium gemeint, in Waters' Augen überfällig, um zu retten, was noch zu retten ist. "Erst haben wir unsere Textilindustrie aufgegeben", schimpft er, "dann unsere Schuhindustrie, unsere Reifenindustrie und die Möbelherstellung, jetzt ist die Glasbranche bedroht, und bei Plastik und Papier sieht es kaum besser aus." Etwas müsse geschehen, sonst gehe es in diesem Stil weiter, bis es bald auch keine Hochöfen mehr gebe. Jedenfalls nicht im Steel Country, in den Tälern rings um Pittsburgh. Und wenn es nun auf einen weltweiten Handelskrieg hinausläuft? Diesmal kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. "Wissen Sie was", erwidert Waters, "das hören wir nun schon seit vierzig Jahren." Man könne leider nichts tun, sonst drohe eine Eskalation. Das Argument sei so alt wie ein Paar ausgetretener Schuhe. Es beeindrucke ihn nicht.

Der Demokrat Sherrod Brown, ein Senator aus Ohio, dem westlichen Nachbarstaat Pennsylvanias, spricht von einer klaren Botschaft an die Handelspartner – vor allem an China, während man europäischen Verbündeten Ausnahmen zugestehen könne. "Wir lassen nicht mehr zu, dass sie Amerikaner betrügen und ihnen ihre Arbeitsplätze stehlen", schrieb er neulich in einer Zeitungskolumne. Die Skeptiker fragten immer nur nach den Kosten solcher Aktionen, so Brown. "Aber wir haben uns viel zu lange viel zu wenig darum gekümmert, was es uns kostet, wenn wir nur zuschauen."

Balsam für die Wähler

Dass Trump die Wahlgeografie der Vereinigten Staaten im Auge hatte, als er die Zölle ankündigte, liegt auf der Hand. Vier Staaten im Rostgürtel der alten Industrie – Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin – gaben den Ausschlag für seinen Sieg gegen Clinton. Hält ihm die Arbeiterschaft dieser vier Staaten die Treue, könnten die Republikaner im November ihre Mehrheit im Kongress verteidigen, dann könnte er ungebremst weiterregieren. Schon um seiner Klientel das Gefühl zu geben, dass er sich kümmert, könnte Trump den ersten protektionistischen Schritten weitere folgen zu lassen.

Donald Trump, der Arbeiterführer? Der Milliardär aus New York als Interessenvertreter der "blue-collar guys", wie Leute, die im Blaumann zur Schicht erscheinen, in Amerika genannt werden? Demokrat Joe Spanik sieht es differenzierter. "Die Leute hatten einfach die Nase voll von Politikern alter Schule." Doch neuerdings glaubt Spanik, dessen Augen in dem Hotelballsaal in Canonsburg förmlich an den Bildschirmen kleben, Anzeichen einer Wende zu erkennen. Etliche seiner Nachbarn, erzählt er, hätten 2016 noch ihre helle Freude gehabt an Trump. Doch einigen werde es langsam peinlich. "Sie wollen einen Präsidenten, der sich benimmt wie ein Präsident."

Tristesse, wohin man schaut

Seit mittels Frackings zuvor unerschlossenes Erdgas gefördert wird, erlebt der Landstrich von Canonsburg einen kleinen Wirtschaftsboom. Doch wenn man über den Monongahela River nach Braddock fährt, ändert sich das Bild. Am Stadtrand rauchende Schlote, im Zentrum leere Ladenschaufenster an der Hauptstraße, verrammelte Türen, bröckelnde Fassaden. Und direkt daneben das Edgar-Thomson-Werk, wie Gulliver thront es über den Zwergen.

Es produziert nach wie vor Stahl, seit 1875, wie in blauen Lettern auf einem Emblem zu lesen ist. Die erste Hütte, die der Stahlbaron Andrew Carnegie an den Monongahela-Fluss setzte. Braddock rühmt sich einer historischen Bibliothek, die erste von mehreren Hundert, die Carnegie in den USA bauen ließ. Nur kann das nicht über den Gesamteindruck hinwegtäuschen: Tristesse, wohin man schaut. Zur Blütezeit nach dem Zweiten Weltkrieg lebten rund 18.000 Menschen in Braddock, heute sind es weniger als dreitausend. Hatten die Thomson-Werke im Jahr 2000 noch 2.600 Beschäftigte, so sind es mittlerweile nur noch sechshundert.

Jim Johnston arbeitet dort, 36 Jahre alt, Stahlgießer in dritter Generation. Anfang März war er im Weißen Haus, er stand hinter Trump, als der sein Zolldekret unterzeichnete.

Die Thomson-Werke müssten dringend modernisiert werden, sagt er, nur habe US Steel, der Betreiber, bisher die Kosten gescheut. Seien die Zölle erst in Kraft, mache das Unternehmen vielleicht mehr Geld, da es ja vor Konkurrenz geschützt werde. "Und hoffentlich investieren sie dann, damit wir nicht irgendwann untergehen." (Frank Herrmann, 22.3.2018)