Dieses Bild wird es im katalanischen Regionalparlament so schnell nicht mehr geben: Carles Puigdemont (re.) ist im belgischen Exil, daher soll Jordi Turull (Mi.) die Geschäfte übernehmen.

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Drei Monate nach den Wahlen sollte Katalonien einen neuen Regierungschef bekommen. Doch das scheiterte am Donnerstag zumindest in erster Runde. Die antikapitalistische CUP enthielt sich bei der Abstimmung, der Kandidat Jordi Turull erhielt damit nur 64 Stimmen – um vier zu wenig für die absolute Mehrheit. Jetzt muss das katalanische Parlament in 48 Stunden erneut zusammentreten und abstimmen.

Dann reicht die einfache Mehrheit – doch auch dafür sind zwei Stimmen der CUP notwendig. Parlamentspräsident Roger Torrent hatte die Sitzung in nur 24 Stunden vorbereitet und anberaumt.

Die Neuwahlen vom Dezember 2017 waren von der Zentralregierung in Madrid angesetzt worden, nachdem der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy die katalanische Regierung unter Carles Puigdemont nach einem Unabhängigkeitsreferendum und einer Unabhängigkeitserklärung im Oktober des Amtes enthoben und Katalonien unter Zwangsverwaltung gestellt hatte.

Der 52-jährige Jurist sitzt seit 2006 im Autonomieparlament, wo er es bis zum Fraktionssprecher von Convergència i Unio (CiU) brachte, aus der die heutige Gemeinsam für Katalonien (JxCAT) Puigdemonts hervorging. Außerdem war er die rechte Hand Puigdemonts und von dessen Vorgänger Artur Mas, der für Sozialkürzungen in Katalonien verantwortlich zeichnete. Problematisch: Turull distanzierte sich nie vom Clan des CiU-Gründers Jordi Pujol. Der ehemalige Regierungschef Kataloniens, seine Frau, fast alle seiner Kinder sowie einige enge Mitarbeiter müssen sich wegen Korruption verantworten. Es ist genau das, was es der CUP so schwermacht, für Turull zu stimmen.

"Plan A", "Plan B", "Plan C"

Turull ist das, was die Presse "Plan C" nennt. "Plan A" war die erneute Wahl des von Madrid mithilfe des Verfassungsartikels 155 abgesetzten Puigdemont. Doch Pablo Llarena, der Richter am Obersten Gerichtshof, der gegen den nach Brüssel geflohenen Politiker ermittelt, zog den Haftbefehl nicht zurück. Puigdemont konnte somit nicht nach Barcelona reisen, ohne in Untersuchungshaft zu enden.

Ihm wird, wie allen Mitgliedern seiner abgesetzten Regierung sowie einigen Parlamentariern und Aktivisten, "Rebellion, Aufstand und Veruntreuung öffentlicher Gelder" vorgeworfen. Darauf stehen bis zu 55 Jahre Haft.

Auch "Plan B" vereitelte Llarena: Es ging um Jordi Sànchez, den inhaftierten Ex-Vorsitzenden der wichtigsten Bürgerorganisation für die Unabhängigkeit, der Katalanischen Nationalversammlung (ANC). Llarena ließ ihn nicht aus dem Gefängnis. Sànchez zog sich daraufhin aus der Politik zurück.

Parlamentspräsident Torrent hatte zum Eilverfahren gegriffen, nachdem Ermittlungsrichter Llarena Turull und fünf weitere Parlamentarier für Freitagfrüh zu sich zitiert hatte. Der Anwalt Turulls befürchtete, dass sein Mandant erneut in Untersuchungshaft genommen werden könnte.

Auf Kaution freigelassen

Turull war bereits vom 2. November bis zum 4. Dezember in Haft und wurde dann gegen Kaution freigelassen. Er war in den Monaten der Vorbereitung und Durchführung des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017 Minister im Präsidentialamt Puigdemonts und katalanischer Regierungssprecher.

"Über Turull hängt ein Damoklesschwert", hatte die Regierung in Madrid vor der spanischen Presse am Dienstag verlauten lassen. Nur wenige Stunden später zitierte Richter Llarena die Beschuldigten zu sich. Allerdings musste wenige Stunden vor Beginn der alles entscheidenden Parlamentssitzung Justizminister Rafael Catalá eingestehen, dass, sollte Turull gewählt werden, König Felipe VI. nichts anderes übrigbliebe, als seine Ernennungsurkunde zu unterschreiben, auch wenn Turull in Untersuchungshaft muss. Erst bei Auftakt des Hauptverfahrens könnte das Gericht über die Angeklagten ein Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden, verhängen. (Reiner Wandler aus Madrid, 23.3.2018)