"Grüne Zukunft" hieß der Kongress, zu dem die Bildungswerkstatt Mitte Februar eingeladen hatte. Bundessprecher Werner Kogler fragte: "Wie legen wir das an?"

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Vor knapp einem Jahr hatte ich im Userkommentar "Das grüne Selbstzerstörungsprojekt" im STANDARD den Niedergang der Grünen vorausgesagt. Die Ereignisse der vergangenen Monate haben beeindruckend gezeigt, dass die Grünen nicht auf politische Gegner angewiesen sind, um katastrophale Ergebnisse zu erzielen, das bekommt man völlig autark hin. Während Eva Glawischnig situationselastisch beim "Klassenfeind" anheuert, zerstört Peter Pilz ob seiner persönlichen Befindlichkeiten in einem Jahr gleich zwei politische Bewegungen. Auch eine Leistung.

Mittlerweile quälen sich die Grünen durch die Landtagswahlen. Gern wird bei den Ergebnissen der Vergleich mit der Nationalratswahl 2017 herangezogen. Das ist aber schon allein deshalb unzulässig, weil in den Bundesländern eben kein Peter Pilz als Mitbewerber startet und es zumindest in Tirol, Kärnten und Salzburg einen verwertbaren Regierungsbonus hätte geben können.

Grüne Blase

In Tirol stellen die Grünen in Koalition mit der ÖVP mit Ingrid Felipe die Landeshauptmann-Stellvertreterin, die als Kurzzeitbundessprecherin Mitschuld am Versagen bei der Nationalratswahl trägt. Die Rücktrittsaufforderung von Ulrike Lunacek weglächelnd, setzt sich die alleinerziehende Unschuld vom Lande befreiten Herzens nach Tirol ab, um sich dort – ohne ernstzunehmenden Gegenkandidaten – von nur 79 Prozent der stimmberechtigten Grünen als Landessprecherin bestätigen zu lassen. Nur knapp erreicht sie, ohne gegen eine grüne Splittergruppe oder andere im selben Wählersegment direkt fischende Mitbewerber, nur ein klein wenig mehr als bescheidene zehn Prozent bei der Landtagswahl. Umso unverständlicher ist der frenetische Jubel, den dieses bescheidene Ergebnis im Umfeld von Felipe ausgelöst hat.

Bezeichnend für die abgekapselte grüne Blase ist ein Statement einer grünen Wahlhelferin im ORF Tirol, die meinte, das Ergebnis der Grünen würde traditionell nach Auszählung der Wahlkarten nach oben korrigiert. Gerettet hat sie in der Livesendung nur, dass auch die ORF-Reporterin offenbar die Tiroler Landtagswahlordnung nicht kannte – die Briefwahlstimmen waren zu dem Zeitpunkt längst ausgezählt und im Ergebnis berücksichtigt. Man mag das nur als eine kleine Episode abtun, aber liebe Grüne, beschäftigt euch doch bitte ein klein wenig mit den Regeln der Wahlen, zu denen ihr antretet.

Grüne Kernkompetenz

Der Jubel belegt auch, dass Felipe tatsächlich nicht über das Inntal hinausdenkt. Denn bejubelt wurde der Verlust eines Bundesratsmandates und damit auch der Verlust des Klubstatus und damit dringend benötigter Gelder im Parlament. Gerettet wurde allerdings Felipes Amt als Landeshauptmann-Stellvertreterin, das sie durch einen Gnadenakt des ÖVP-Wahlsiegers Günther Platter behalten darf.

Völlig negiert wird von Felipe, dass Platter ihr mit dem Transitthema im Wahlkampf eine grüne Kernkompetenz und ihr damit ihr Pouvoir als Landesrätin streitig machte. Das ist symptomatisch für die falsch gedachte Überzeugung der Grünen, mit dem Umweltthema allein punkten zu können. Spätestens seit dem Programm der ökosozialen Marktwirtschaft von Josef Riegler Ende der 1980er ist Nachhaltigkeit und Umweltschutz kein grünes Alleinstellungsmerkmal mehr. Die Auseinandersetzung mit einem zweiten großen grünen Thema, dem Rechtsextremismus, verweigert Felipe öffentlich – ohne dies näher zu begründen, sagte sie in einer Diskussion der "Tiroler Tageszeitung", sich mit "den Extremismusproblemen der Freiheitlichen" nicht mehr befassen zu wollen. Eine weitere Folge dieser Wahl und interner grüner Grabenkämpfe wird sein, dass Georg Willi um den sicher geglaubten Sieg bei der Wahl zum Innsbrucker Bürgermeister gebracht wurde.

Monatelanger Autokannibalismus

Noch ärger fiel die Katastrophe in Kärnten aus: Nach monatelangen Autokannibalismus verlor man fast neun Prozentpunkte und die Vertretung im Landesparlament. Und obgleich das Ergebnis die Umfragewerte bestätigte, versuchte man äußeren Einflüssen die Schuld zuzuschieben. Der Sessel von Glawischnig flog im wörtlichen Sinn aus dem Fenster – zufällig geradewegs vor die Kamera eines Boulevardjournalisten der Kärntner "Krone". Der aus dem Nationalrat abgewählte Klubobmann Albert Steinhauser schob in einem untergriffigen Tweet die Verantwortung auf die ehemalige grüne Landessprecherin Marion Mitsche, sie sei "völlig unbekannt und untalentiert", was ihn während der vergangenen Jahre, in denen Mitsche für die Grünen in führender Position aktiv war, nicht weiter störte. Mitsche hatte versucht, den innerparteilichen Konflikt zu bereinigen, aber offenbar blieb ihr von der damaligen Bundessprecherin Felipe jede Hilfe versagt. Jedenfalls ist Mitsche mit ihrem Ergebnis von 0,21 Prozent für den Misserfolg der Grünen in Kärnten nicht allein in die Verantwortung zu nehmen.

Achtungserfolg in Niederösterreich

Am geringsten fielen heuer bisher die Verluste der Grünen bei der Landtagswahl in Niederösterreich aus. Abgefedert wurde der Stimmenverlust durch den Verzicht des Antretens der Liste Pilz, die vor allem im Wiener Einzugsgebiet bei der Nationalratswahl massive grüne Verluste erkämpfte. Auch ohne das doch nebulöse niederösterreichische Wahlrecht hätten die Grünen wohl ein weitaus besseres Ergebnis erzielen können. Dass auf eine Wahlanfechtung verzichtet wurde, kann wohl nur mit dem finanziellen Risiko erklärt werden.

Während Helga Krismer in Niederösterreich zumindest einen Achtungserfolg einfahren konnte, sagen Umfragen für die Landtagswahl in Salzburg in knapp einem Monat das nächste Debakel voraus. Ein Viertel bis zur Hälfte der Grünwähler sollen sich aktuellen Befragungen zufolge diesmal gegen die Grünen entscheiden. Spitzenkandidatin Astrid Rössler scheint schon ihr Exitszenario zu planen und plakatiert vorsorglich "Ich bin keine Politikerin".

Bundesweite Bühne

Auch in Salzburg geht es wieder um ein Bundesratsmandat, und es ist gar nicht so weit hergeholt, dass es nach dieser Wahl nur noch zwei grüne Bundesräte geben wird. Man mag den Bundesrat als vernachlässigbar abtun, aber das Plenum bietet zumindest eine bundesweite Bühne. Wie man diese nützt, hat die Wiener Grüne Ewa Dziedzic dieser Tage erst bei der Debatte um Kicklgate eindrucksvoll bewiesen.

Ob sie ihr Bundesratsmandat behalten kann, hängt vom Ergebnis der Landtagswahl in Wien ab, die sehr wahrscheinlich vor dem regulären Termin 2020 stattfinden wird. Und auch in Wien sieht es eher düster aus. Maria Vassilakou setzt schon länger einiges daran, die Wiener Basis zu vergraulen, und die Liste Pilz wird in Wien wohl antreten und wahrscheinlich trotz Peter Pilz erfolgreich sein können.

Programmatische Diskussionen

Neben den Aktivitäten im Bundesrat haben die Grünen bundespolitisch derzeit wenig zu bieten. Klar ist das entschuldbar mit der Abwahl aus dem Nationalrat und dem anstehenden Reformprozess. Leider verrennen sich die Grünen in programmatischen Diskussionen, aber dass Parteiprogramme nicht mehr wahlentscheidend sind, belegte zuletzt Sebastian Kurz. Drängender wäre bei den Grünen eine personelle Veränderung. Dass die abgewählten Werner Kogler und Albert Steinhauser derzeit am wahrnehmbarsten sind, dient der Sache ebenso wenig wie die Wiederkehr von Robert Luschnik, der einen guten Teil der Verantwortung am Debakel im Zuge der Nationalratswahl trägt.

Noch nie standen die Chancen für erfolgreiche Oppositionsarbeit, sei es im Parlament oder außerhalb, für die Grünen so gut wie jetzt. Aktuellen Umfragen zufolge ist die Liste Pilz trotz acht Mandataren unbedeutend, und die türkis-blaue Koalition bietet endlos Angriffspunkte. Ein Wiedereinzug in das Parlament scheint für die Grünen so gut wie sicher. Nach objektiven Gesichtspunkten kann man da eigentlich nicht viel falsch machen. Aber für eine nach unten offene Abwärtsspirale sind die Grünen offenbar immer wieder zu haben. (Dietmar Mühlböck, 23.3.2018)