Unser Ohr erzeugt individuelle Reflexionmuster von Tönen. Wird die Form der Hörorgane verändert, ist das Gehirn verwirrt und kann nicht mehr eruieren, ob die Töne von oben oder unten kommen.

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Leipzig – Zeig mir deine Ohren und ich sage dir, was du hörst – so könnten das Ergebnis einer Studie der Uni Leipzig zusammengefasst werden. Die Ausgangslage der Untersuchung: Ohren können unterschiedlich geformt sein. Bei manchen Menschen sind sie klein und verlaufen spitz nach oben, bei manchen Personen sind sie hingegen groß und fleischig. Die Wissenschafter haben sich deshalb gefragt: "Hat das auch einen Einfluss darauf, was wir hören?"

Das Ergebnis der Studie: Die Form der Ohren und ihrer Wulste beeinflusst, wie die aus allen Richtungen eintreffenden Schallwellen im Innenohr reflektiert werden. Aus diesen individuellen Reflektionsmustern ermittelt unser Gehirn dann, ob ein Ton von oben oder unten auf uns eintrifft.

Bislang war bereits bekannt, wodurch wir erkennen, ob ein Ton von rechts oder links kommt. Klingelt rechts von uns ein Telefon, so erreichen die Schallwellen zuerst das rechte Ohr, anschließend mit etwas Verzögerung das linke. Unser Gehirn kann daraus zuordnen, woher das entsprechende Geräusch kommt. Unklar war bisher jedoch, wie es uns gelingt, einen Ton vertikal im Raum zu verorten. "Töne aus verschiedenen Richtungen treffen unterschiedlich auf die äußeren Bereiche unserer Ohren. Die Ohrmuschel reflektiert durch ihre unregelmäßige Form den Schall in den Gehörgang. Dadurch entsteht ein kurzes Echo, das die Klangfarbe ändert", erklärt Studienleiter Marc Schönwiesner vom Institut für Biologie der Uni Leipzig.

Kommt der Ton von oben oder unten?

Die Klangfarbe eines Tons wird aus der Lautstärke der einzelnen im Ton enthaltenen Frequenzen bestimmt. Sie ist der Grund, warum ein und dieselbe Note, etwa ein hohes C, von einer Geige anders klingt als von einer Blockflöte. Die Forscher haben nun die Rolle der äußeren Ohrform für unser räumliches Hören untersucht. Zunächst spielten sie den 15 Studienteilnehmern in einem Schall-Labor Töne vor. Die Versuchspersonen sollten dabei entscheiden, ob die Töne von oben oder unten kamen. Danach veränderten sie die Ohrform der 15 Probanden, indem sie ihnen ein kleines Silikonstück einsetzten.

Während die Teilnehmer vor der Veränderung ihrer Ohrform die Töne ziemlich präzise verorten konnten, gelang ihnen das mit den eingesetzten Silikonstücken kaum. "Als wir ihnen etwa einen Ton oberhalb ihres Kopfes vorspielten, glaubten sie dann plötzlich, dass er von unten kam", erklärt Schönwiesner.

Nach einigen Tagen wiederholten die Wissenschafter den Hörtest. Es zeigte sich, dass die Probanden wieder an ihre ersten Hör-Erfolge anknüpfen konnten. Um zu beobachten, was während des Hörens im Gehirn vor sich geht, spielten die Forscher den Probanden die aus allen Richtungen eintreffenden Töne vor, während die Versuchsteilnehmer im Magnetresonanztomographen lagen.

Gehirn muss Form der Ohren "kennen"

Dabei konzentrierten sich die Neurowissenschafter auf die Aktivitäten im Hörcortex, also in dem Bereich der Großhirnrinde, der auf das Hören spezialisiert ist. Es konnte beobachtet werden, dass die Neurone umso weniger aktiv sind, je höher die Quelle eines Tones über unserem Kopf liegt. Anhand der Signale des Gehirns konnten die Forscher sogar direkt auf die Lage der Töne im Raum schließen.

Mit frisch eingesetzten Silikonstücken im Ohr zeigte sich ihnen jedoch ein anderes Muster: Die Neurone feuerten deutlich unorganisierter auf die eintreffenden akustischen Reize, ein Rückschluss auf die Lage der Töne im Raum war nicht möglich. Das änderte sich allerdings, nachdem sich die Freiwilligen mit ihren "neuen Ohren" durch den Alltag bewegt hatten.

Die Hirnaktivitäten hatten sich wieder sortiert und entsprachen denen der unveränderten Ohrformen. "Wir können mit unseren individuell gestalteten Ohren hören, weil unser Gehirn ihre Form 'kennt'. Wenn sich diese jedoch ändert, braucht es einige Zeit, um sich anzupassen", resümiert Schönwiesner. (red, 24.3.2018)