Wien – Es war eines der einflussreichsten Sachbücher des 20. Jahrhunderts. Ohne Rachel Carsons modernen Klassiker "Silent Spring" aus dem Jahr 1962 wäre nicht nur das Vogelsterben sehr viel länger weitergegangen. Auch die Umweltbewegungen in den USA und Europa hätten zu ihrer Formierung länger gebraucht.

Die US-Biologin Carson schilderte in "Der stumme Frühling" erstmals die fatalen Folgen des Pestizideinsatzes auf die Ökosysteme. Vor allem die Verwendung von DDT führte zu einem dramatischen Vogelsterben, da die Schalen der Eier dünner wurden. Nach heftigen politischen Debatten kam es schließlich zum DDT-Verbot.

Gut ein halbes Jahrhundert später ist das Vogelgezwitscher zumindest auf unseren Feldern und Wiesen sehr viel leiser als noch vor drei Jahrzehnten. Laut dem Ornithologen Gábor Wichmann, Geschäftsführer von Birdlife Österreich, ist die Zahl der Brutpaare in landwirtschaftlichen Gebieten von Mitte der 1980er-Jahre bis 2016 um fast ein Drittel gesunken.

Dramatische Verluste

Auf ähnliche Zahlen kommen zwei neue Studien, die dieser Tage in Frankreich veröffentlicht wurden und für einiges Aufsehen sorgten. Forscher ermittelten für französische Agrarlandschaften ebenfalls einen Rückgang von einem Drittel der Vogelbestände – innerhalb von nur 15 Jahren. Die Verluste bei vielen Arten sind aber noch sehr viel dramatischer: So verschwanden in den vergangenen 23 Jahren 80 Prozent der französischen Rebhühner, 70 Prozent der Wiesenpieper und zwei Drittel der Gartenammern.

Ähnliche Zahlen gibt es auch für Deutschland, Spanien, Großbritannien und Frankreich. Für die EU-28 kommen Studien sogar zu dem Schluss, dass in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten die Zahl der Vögel um die Hälfte zurückgegangen ist. Dort sind auch ehemals weitverbreitete Arten wie Feldlerche, Turteltaube und sogar Sperling mittlerweile zu Raritäten geworden.

Schwindende Braunkehlchenbestände

Das Braunkehlchen litt zuletzt besonders stark unter der intensiven Landwirtschaft: Seine Bestände gingen um bis zu 80 Prozent zurück.
Foto: Michael Dvorak

In Österreich hat man unter anderem das Braunkehlchen genauer unter die Lupe genommen, das sich in den vergangenen Jahren auf kleine Restvorkommen zurückgezogen hat. "Gab es 2004 noch geschätzte 5.500 Brutpaare, so waren es 2016 nur noch 950 bis 1.500 Brutpaare", sagt Wichmann. Das entspricht einer Dezimierung von 75 bis 80 Prozent.

Mit der Auswertung der aktuellen österreichischen Daten für 2017 sei man noch beschäftigt. Wichmann geht davon aus, dass der Trend wohl anhalten werde, der übrigens nicht für Wälder und Siedlungen gilt. Hier haben die Bestandszahlen sogar zugenommen – mit einem überraschenden Paradox, wie eine andere neue Studie ermittelte: Amseln dürften in den Städten zwar weniger gesund sein, aber länger leben.

Verlust der Vielfalt

Diese Diskrepanzen zwischen Stadt und Land sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass die intensivierte Landwirtschaft und der Pestizideinsatz – so wie schon zu Carsons Zeiten – eine wichtige Rolle beim langsamen Vogelsterben spielen. Dagegen würde im Großen eine naturverträglichere Agrarpolitik helfen, so Wichmann. "Im Kleinen würden den Braunkehlchen aber auch schon das Belassen von nichtbewirtschafteten Randstreifen als Brachen und eine verzögerte Mahd guttun." (Klaus Taschwer, 23.3.2018)